Donnerstag, 10. Juli 2025

Alice Berend: Dore Brandt - Ein Berliner Theaterroman

Vom Ende bin ich ein wenig enttäuscht. Der Spieler, von dem im Klappentext die Rede ist, ist Ernst Bergmann, ebenfalls Schauspieler und noch dazu einer, der sich an keine Frau fest binden mag. Als er Dore sagte, dass er niemand zum Heiraten ist, wehrte sie ab. Hat sie doch ein negatives Beispiel zu Hause, wo die Mutter freudlos neben und unter der Fuchtel des Vaters lebt.

Und obwohl Dore Beruf und Kind unter einen Hut bekommt, gibt es zum Schluss noch ein Happy End. Auch ist keine Rede von seiner Spielsucht, von der Dore noch gar nichts weiß. Nein, so richtig rund ist dieses Ende nicht für mich.


Buchinfo

Schauplatz: die Theaterstadt Berlin zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts. Man trifft sich bei Borchardt, besucht jüdische Salons und tauscht im Café Metropol den neuesten Klatsch aus. Die als "große Tragödin der Zukunft" umjubelte junge Schauspielerin Dore Brandt verliebt sich in einen Spieler, wird ungewollt schwanger - aber schafft es trotz aller Konventionen, Kind und Karriere zu vereinbaren und im Stück des "wunderlichsten Dichters von heute" zu triumphieren.

Das Theater, an dem Dore Brandt engagiert ist, liegt nicht weit vom Bahnhof Friedrichstraße entfernt - wie das Neue Theater des Regisseurs Max Reinhardt, mit dem Alice Berend befreundet war. Ein Schlüsselroman?

In Alice Berends Berliner Theaterroman von 1909 zeigt sich schon jene leise Ironie, durch die sie einige Jahre später zur Erfolgsautorin und gefeierten Humoristin wird.


Buchbeginn

Der Zug eilte auf geradem Wege seinem Ziele entgegen. Rücksichtslos durchschnitt er in tiefer Furche die zarten Gewebe der Dämmerung, die geheimnisvoll über das flache Land glitten, Nahes wie Fernes verhüllend.

Dore stand an dem geöffneten Fenster und blickte in die Abendschatten, hinter denen immer häufiger verschwommene, gelbe Lichtflecken die Nähe von menschlichen Wohnstätten verrieten.


Zitat

"Die Mitglieder standen lachend und plaudernd zusammen.
Als sie, die im Juni hocherfreut waren, daß die Bude endlich schloß, waren von Herzen froh, wieder die entbehrte Theaterluft einzuatmen. Jene tagfremde, sonnenlose Luft, die ein geheimnisvolles Gemisch von Staub und Moder ist und unbezwinglich in ihren Bann zieht, was zu ihr gehört."

AvivA, 2000
Mit einem Nachwort von Britta Jürgs

 

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