Sonntag, 13. Juli 2025

Ruth Kraft

Geschrieben von Sabine Neuhauß


Ruth Kraft wurde am 3. Februar 1920 in Schildau, Kreis Torgau (Sachsen), geboren. Die Eltern führten einen Eisen- und Kolonialwarenladen, wie zuvor schon die Großeltern. Der Großvater war Mitbegründer der Sparkasse in Schildau. Ihre Schulausbildung schloss Ruth mit einem zweijährigen Besuch des Katharina-von-Bora-Lyzeums Torgau ab. Die Schule verließ sie allerdings ohne Abschluss. Anschließend absolvierte sie erfolgreich eine kaufmännische Lehre und arbeitete als Buchhalterin. Sie sollte – so der Wunsch des Vaters – das elterliche Geschäft übernehmen. Dazu kam es jedoch nicht, es entsprach nur den Plänen ihrer Eltern, nicht ihren eigenen. 

Am 24. November 1938 beantragte Ruth Kraft die Aufnahme in die NSDAP; sie wurde rückwirkend zum 1. September 1938 aufgenommen. Welche Aufgaben oder Funktionen sie in der Partei ausübte, ist nicht bekannt. Auf den Vorschlag einer Freundin hin bewarb sie sich 1940 bei der Heeresversuchsstelle Peenemünde. Während in der biografischen Literatur davon ausgegangen wird, dass dies der Flucht vor dem elterlichen Geschäft diente, berichtete sie selbst später, sie habe insbesondere der Kriegsdienstverpflichtung in Munitionsfabriken o.ä. entgehen wollen. Am 1. März 1940 trat sie in Peenemünde ihren Dienst als technische Rechnerin an. Sie blieb dort bis zum 1. März 1943, an diesem Tag wechselte sie zum Wehrkreis II nach Stettin als Referentin, die sich um die heeresdienstverpflichteten weiblichen Jugendlichen kümmern sollte. Es wird vielfach davon ausgegangen, dass sie von der Technik in den sozialen Bereich wechseln bzw. wieder als Zivilangestellte arbeiten wollte. Jedoch hat sie selbst berichtet, dass der Grund eher darin gelegen habe, dass zu dieser Zeit die Freizeitangebote kriegsbedingt entfallen seien und der Umgang mit den Formeln im mathematischen Büro und die häufigen Nachtschichten als Protokollführerin bei den Messungen am Windkanal ihr immer weniger zugesagt hätten. Dennoch dürfte die Zeit in Peenemünde insgesamt sehr wichtig für Ruth Kraft gewesen sein, denn sie hat sie später literarisch verarbeitet. 

Das Kriegsende erlebte Ruth Kraft in Rendsburg nördlich des Nord-Ostsee-Kanals; dorthin war sie vom Wehrkreiskommando Stettin versetzt worden. Im Juni 1945 machte sie sich auf den Weg zurück zu ihren Eltern und trampte von der britischen durch die amerikanische in die sowjetische Besatzungszone. 

Dort begann sie mit Schreibversuchen und suchte Anschluss an einen Autorenkreis im nahegelegenen Leipzig. Als im Frühjahr 1946 der Sender Leipzig des Mitteldeutschen Rundfunks seinen Sendebetrieb wieder aufnehmen durfte, wurde sie Mitarbeiterin des Jugendfunks und bekam ihre ersten literarischen Aufträge für Jugend-, Schulfunk- und Kindersendungen. Neben der kontinuierlichen Arbeit für mehrere Rundfunkanstalten (Sender Halle, Sonntagskinder-Berlin) entstanden 1946 bis 1953 diverse Kinderbücher.  

Auch bereits 1946 trat Ruth Kraft in die LDPD ein. 

Im Jahr 1949 heiratete Ruth Kraft den Rundfunkregisseur und Schauspieler Hans Bussenius. Das Paar bekam zwei Kinder, nämlich den im Jahr 1951 geborenen Sohn René und die im Jahr 1955 geborene Tochter Ines. Im Jahr 1953 zog die Familie nach Potsdam-Babelsberg, denn Hans Bussenius hatte eine Stelle als Lektor in die Dramaturgie der DEFA erhalten. Außerdem hatten sie ein Ferienhaus in Ahrenshoop. Dort entwickelte sich eine Beziehung zwischen Ruth und dem deutsch-australischen Schriftsteller Walter Kaufmann. Er war jüdischer Herkunft, seine Adoptiveltern wurden in Auschwitz ermordet. Walter Kaufmann beschrieb die Beziehung als geschwisterlich. Für die Ehe von Ruth Kraft und Hans Bussenius war diese Beziehung wohl dennoch problematisch. 

Im Jahr 1959 erschien der wohl bekannteste Roman von Ruth Kraft – „Insel ohne Leuchtfeuer“. Darin beschreibt sie ihre Erlebnisse während ihrer Tätigkeit in der Heeresversuchsstelle Peenemünde halb fiktional, halb dokumentarisch. Historische Personen wie Wernher von Braun werden erkennbar. Den Wissenschaftlern in diesem Roman wird die Frage nach ihrer Verantwortung für den Krieg verlängernde Projekte und den Tod vieler Menschen gestellt. Die Hauptperson des Buches ist eine junge Frau, die allerdings Halbjüdin ist, also Verfolgte der Nazis, und damit nicht wirklich autobiografisch angelegt sein kann. Dennoch schreibt ihr Freund Walter Kaufmann, dass er Ruth Kraft deswegen zunächst für jüdischer Abstammung gehalten habe. Das Buch wurde ein Publikumserfolg, die Reaktionen in den Medien der DDR waren zunächst eher verhalten wegen der politisch heiklen Thematik. In ihrem späteren Roman „Menschen im Gegenwind“ von 1965 greift sie das Thema der Verantwortung in der Wissenschaft mit Bezug auf die westdeutsche Rüstungsindustrie erneut auf.  

Ihre folgenden Werke drehten sich vorwiegend um Gegenwartsthemen. Oft stellte sie starke Frauenfiguren in den Mittelpunkt. 

Auch politisch machte Ruth Kraft Karriere. Ab 1963 gehörte sie zum Zentralvorstand der LDPD. 1974 wurde sie Mitglied des DDR-Friedensrates. Sie erhielt u. a. folgende Auszeichnungen: 1967 den Theodor-Fontane-Preis des Bezirks Potsdam, 1969 den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze, 1974 den Vaterländischen Verdienstorden in Silber sowie 1985 den Literaturpreis des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands und den Orden Stern der Völkerfreundschaft in Silber. Sie war auch Vorstandsmitglied des Schriftstellerverbandes der DDR. Ihre antifaschistische und antimilitaristische Einstellung wurde vom Schriftstellerverband und auch im Rahmen der Auszeichnungsverleihungen hervorgehoben.  

Nach der Wende musste sie feststellen, dass Schriftstellerinnen und Schriftsteller der DDR nicht mehr sehr gefragt waren. Sie schrieb nicht mehr viel, jedoch wurde sie immer wieder zu Lesungen eingeladen. Vom Roman „Menschen im Gegenwind“ erschien eine neue, ergänzte Fassung. Im Jahr 2000 erschien ihre Autobiografie „Leben von der Pike auf“.  

Von 1958 bis 2008 lebte Ruth Kraft in Zeuthen, danach zog sie nach Berlin in die Nähe der Tochter. Manuskripte und Unterlagen übergab sie dem Bundesarchiv. Peenemünde blieb ihr Thema, seit 2000 war sie Mitglied des Fördervereins Peenemünde e. V., der ihr am 2. April 2007 die Ehrenmitgliedschaft verlieh. Noch 2011 schrieb sie über ihre dortige Zeit sehr zugewandt und eher unkritisch. 

Am 8. Juli 2015 ist sie in Berlin verstorben. Sie wurde ihrem Wunsch entsprechend auf dem Schifferfriedhof Ahrenshoop beigesetzt, auf der Grabstelle ihres bereits verstorbenen Mannes Hans Bussenius. 


Quellen 

Ruth Kraft

literaturport.de

Museum Peenemünde

Ortschroniken M-V

nd.Genossenschaft 

Berliner Zeitung 


Die Bücher

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