Freitag, 23. Mai 2025

Hermynia zur Mühlen

„Wenn ich an die Auflagen denke, die ich noch vor zehn Jahren in Deutschland hatte! Heute sind meine Bücher verbrannt, und eigentlich freut es mich. Wie kommen die dort drüben dazu, etwas zu lesen, das ein anständiger Mensch geschrieben hat. Sie sollen sich an ihre eigenen Schriftsteller halten. An die Leute, die immer alles mitgemacht haben, die, wenn sie erklären, daß die Kunst unpolitisch sei, eigentlich meinen, man dürfe es sich mit keinem verderben. Man kann ja nie wissen. Pack.“


Hermynia Isabelle Maria Zur Mühlen, auch Hermynia zur Mühlen, geborene Hermine Isabelle Maria Folliot de Crenneville wurde am 12. Dezember 1883 als Tochter des Diplomaten Viktor Graf Folliot de Crenneville-Poutet in Wien, Österreich-Ungarn geboren. Die Familie entstammte dem Hochadel der österreichisch-ungarischen Monarchie.

Schon als Kind und Jugendliche begleitete sie ihren Vater auf ausgedehnte Reisen nach Vorderasien und Afrika. Zunächst erhielt sie Privatunterricht, besuchte dann das Sacre Cœur in Algier und später ein Pensionat für höhere Töchter in Dresden. Sie war examinierte Volksschullehrerin und arbeitete in einer Druckerei.

1908 heiratete sie gegen den Wunsch der Eltern den deutschbaltischen Großgrundbesitzer Victor von zur Mühlen und folgte ihm auf sein Landgut nach Eigstfer (heute Eistvere, Gemeinde Imavere, Kreis Viljandi) im heutigen Estland. Nach einer unglücklichen Ehe ließ sich Hermynia nach 12 Jahren scheiden.

Sie war entsetzt über die Besitzlosigkeit der einheimischen estnischen und livländischen Landbevölkerung im Baltikum. Gemeinsam mit dem Dichter Hans Kaltneker, den sie 1913 kennenlernte, übersetzte sie Gedichte.

Zwischen 1914 und 1919 war sie nach einer Tuberkuloseerkrankung zur Erholung in der Schweiz, von wo aus sie mit großer Sympathie die Oktoberrevolution 1917 in Russland verfolgte.

Dann zog sie nach Deutschland, wo sie der KPD beitrat. Sie lebte mit ihrem Lebensgefährten und späterem Ehemann, dem jüdischstämmigen Übersetzer und Journalisten Stefan Isidor Klein (1889 –1960), in Frankfurt am Main und Berlin. Vornehmlich in "Die Rote Fahne" und "Der Revolutionär" veröffentlichte sie zahlreiche Essays.

Hermynia Zur Mühlen war eine fleißige Schreiberin. Im Berliner Malik-Verlag wurden 1921 ihre von George Grosz illustrierten proletarischen Märchen "Was Peterchens Freunde erzählen" veröffentlicht. Sie schrieb Romane und Kurzgeschichten (meist mit zeitkritischem und antifaschistischem Inhalt), Krimis, Kinder- und Jugendbücher und andere Prosa und verfasste Hörspiele. Und sie schrieb unter verschiedenen Pseudonymen: Franziska Maria Rautenberg, Franziska Maria Tenberg, Traugott Lehmann und Lawrence H. Desberry.

Zudem war sie Übersetzerin von gut 150 Romanen und Erzählungen aus dem Russischen, Englischen und Französischen ins Deutsche. In der Weimarer Republik war sie als "rote Gräfin" eine der bekanntesten kommunistischen Kolumnistinnen und Publizistinnen.

Für ihre Propagandaerzählung "Schupomann Karl Müller" (1924) wurde sie wegen Hochverrats angeklagt, zwei Jahre später aber freigesprochen.

In einem vielbeachteten Brief an ihren Verleger schreibt sie 1933: „Da ich Ihre Ansicht, das Dritte Reich sei mit Deutschland (…) identisch, nicht teile, kann ich es weder mit meiner Überzeugung noch mit meinem Reinlichkeitsgefühl vereinbaren, dem unwürdigen Beispiel der von Ihnen angeführten vier Herren (Alfred Döblin, René Schickele, Stefan Zweig und Thomas Mann beendeten ihre Mitarbeit an der von den Nationalsozialisten angegriffenen Zeitschrift Die Sammlung) zu folgen, denen scheinbar mehr daran liegt, in den Zeitungen des Dritten Reiches, in dem sie nicht leben wollen, gedruckt, und von den Buchhändlern verkauft zu werden, als treu zu ihrer Vergangenheit und zu ihren Überzeugungen zu stehen. […]“

Als die Nationalsozialisten dann an die Macht kamen, ging Hermynia zur Mühlen 1933 nach Wien zurück. Hier schloss sie sich der Vereinigung sozialistischer Schriftsteller an. Ihre Werke wurden vom NS-Regime auf die „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ gesetzt. Sie distanzierte sich von der KPD, warnte aber weiterhin vor dem Faschismus. 1938 flüchtete sie gemeinsam mit Stefan Klein nach Bratislava, wo sie heirateten. Auch hier fanden sie keine Ruhe; emigrierten im März 1939 nach England, wo sie ihre schriftstellerische Arbeit fortsetzte.

Bis 1948 konnten sie sich ein Leben in London leisten, doch dann - verarmt und schwer erkrankt - lebten sie nördlich der britischen Hauptstadt. Sie arbeitete zwar noch, erhielt aber keine Aufmerksamkeit mehr. Ihr Nachlass gilt als verschollen.

Ihre Werke wurden nach dem Zweiten Weltkrieg erst mal nur in Österreich und der DDR vertrieben.

Am 20. März 1951 starb Hermynia zur Mühlen in Radlett, Grafschaft Hertfordshire, Großbritannien. 

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