Manchmal werde ich gefragt, wie ich eigentlich dazu gekommen bin, mich mit Schriftstellerinnen zu beschäftigen. Warum ausgerechnet Frauen? Und warum mit so viel Leidenschaft?
Die Antwort darauf ist nicht schnell erzählt. Sie hat sich über viele Jahre entwickelt – aus Neugier, aus Zufällen, aus Begegnungen.
Hier ist meine Geschichte.
Wie alles begann – mein Weg zu den Schriftstellerinnen
Meine Leidenschaft war schon immer das Lesen – aber in jungen Jahren fehlte mir oft der Nachschub. Also wich ich auf etwas anderes aus: Filme. Zu DDR-Zeiten liefen viele Produktionen aus den „sozialistischen Bruderländern“, vor allem russische, aber auch französische und italienische Filme. Ich liebte sie alle. (Hier könnte ich leicht abschweifen und schwärmen.)
Schon damals fing ich an zu sammeln. Die Fernsehzeitschrift wanderte am Ende der Woche nie in den Müll – ich schnappte sie mir, schnitt Bilder aus, klebte sie auf ein Blatt Papier und schrieb den Text dazu ab. Anfangs sammelte ich alles in alten Schulmappen. Auch Kinoprospekte waren vor mir nicht sicher, vor allem, wenn sie kleine Texte über Schauspielerinnen enthielten.
So begann es.
Leider hat sich diese frühe Sammlung nicht bis heute erhalten. Wir sind oft umgezogen, und ich habe den Verdacht, dass meine Mutter manches entsorgt hat. Sie war mit dieser Leidenschaft nicht gerade einverstanden. Als ich später meine Ausbildung begann, Mutter wurde und arbeitete, verlor sich das alles – bis zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt.
Ein neuer Anfang in Ostfriesland
Im Advent 2001 zog ich nach Ostfriesland. Im Internet stieß ich auf den Briefmarkenverein Frau und Philatelie. Dort begann ich mit einer Vereinsfreundin, alles Schriftliche zu sammeln, was wir über Frauen fanden: Zeitungsartikel, Buchauszüge, Broschüren. Wir waren so verrückt, ganze Texte aus Büchern abzuschreiben. Sie erstellte daraus Kurzbiografien und kombinierte sie mit passenden Briefmarken. Ein Ringheft aus dieser Zeit – das sogar eine Medaille auf einer Messe gewann – habe ich noch heute.
Über den Verein konnte man einmal im Jahr eine Anzeige in einer Fachzeitschrift schalten. So suchte ich nach Textmaterial über Frauen. Eines Tages meldete sich ein älterer Herr aus Leipzig. Er hatte ein ganzes Archiv über Frauen angelegt – Schätze, gesammelt über Jahrzehnte. Wir telefonierten oft, und er schickte mir regelmäßig Pakete mit Zeitungsausschnitten zu allen Themen, die mich interessierten.
Ich tippte alles ab – vor und nach der Arbeit, Seite um Seite. So entstanden zum Beispiel 43 Seiten über Angela Davis, darunter das Tagebuch ihres Prozesses aus der DDR-Zeitung Wochenpost.
Heute umfasst meine Sammlung rund 4200 Dateien – jede steht für eine Frau.
Ein Sammlerleben und was bleibt
Die Geschichte des Leipziger Archivars hat mich tief berührt. Man erzählte mir, dass der Boden seines Hauses unter der Last seiner Sammlung fast nachgab. Sein Nachbar ließ daraufhin sein eigenes Haus verstärken und bot ihm an, dort einzuziehen – mit allen Büchern und Akten. Ob sich das genau so zugetragen hat, weiß ich nicht. Aber ich glaube es.
Er ist inzwischen verstorben. Seine Kinder hatten kein Interesse, und seine Sammlung – ein Lebenswerk – landete in der Papiertonne. Als ich das hörte, habe ich geweint. Denn ich wusste, was verloren ging.
Und doch tröstet mich der Gedanke, dass ich einen Teil seines Wissens bewahren durfte.
Vom Sammeln und Zweifeln
Über die Jahre kam mir oft der Gedanke, was ich mit all dem machen soll. Meine frühere Vereinsfreundin schlug vor, ein Heft über „Schriftstellerinnen auf Briefmarke“ herauszugeben – doch der zündende Schubs fehlte.
Ich begann, im Internet weiter nach Frauen zu suchen, besonders nach Autorinnen. Mir fiel auf, dass es über Schriftstellerinnen noch viel zu finden gibt – über Malerinnen, Musikerinnen oder Bildhauerinnen aber weit weniger. Vielleicht liegt das nur an meiner Blickrichtung, vielleicht auch an der Geschichte.
Auf Twitter war ich eine Zeit lang unter dem Namen FrauenLesen aktiv. Ich wollte vergessene Schriftstellerinnen ins Gespräch bringen. Doch mit der Zeit verlor ich die Lust: Soziale Medien sind für mich nicht sozial. Ich hatte gehofft, in dieser „Frauenbubble“ Gleichgesinnte zu finden, aber oft blieb es bei Klicks. Ich bin keine Journalistin, keine Literaturwissenschaftlerin, komme nicht aus der Buchbranche – vielleicht spielt das eine Rolle.
Aber eines weiß ich: Die Leidenschaft ist geblieben.
Mein Platz heute
Heute habe ich meinen Platz gefunden – auf meinem Blog Schriftstellerinnen.
Ich schreibe keine Rezensionen mehr, sondern lasse die Bücher und die Autorinnen selbst sprechen. Ich möchte, dass sie gesehen werden, dass ihre Namen bleiben.
Auch wenn ich manchmal zweifle, ob meine Arbeit „etwas bringt“, so weiß ich doch: Jedes Mal, wenn jemand durch meine Beiträge auf eine Autorin aufmerksam wird, habe ich etwas bewirkt.
Vielleicht ist das der eigentliche Sinn meiner Sammlung: nicht das große Publikum, sondern das stille Weitergeben.
Und das mache ich, solange mich diese Frauen faszinieren – also wohl noch eine ganze Weile.
Wenn ich heute auf diesen Weg zurückblicke, staune ich selbst ein bisschen. Aus ein paar ausgeschnittenen Bildern und Texten wurde eine Sammlung, aus der Sammlung ein Archiv, und aus dem Archiv schließlich dieser Blog.
Was mich seit all den Jahren antreibt, ist der Wunsch, dass Frauen in der Literatur nicht vergessen werden. Jede einzelne von ihnen war Teil einer großen Geschichte, die viel zu oft im Schatten blieb.
Ich hoffe, dass meine Texte dazu beitragen, sie ein kleines Stück sichtbarer zu machen.
Und wer weiß – vielleicht findet sich ja noch jemand, der beim Lesen denselben Funken spürt, der mich seit meiner Jugend begleitet.
Höhepunkt meiner Beschäftigung mit den Frauen war, als ich Post mit dem Zusatz "@frauenLesen" im Adressfeld bekam.



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