Ines Geipel: Das Heft

Buchinfo

Ein Dorf, verdunkelt von Wäldern und Bergen, nahe der Grenze. Mitten im Dorf ein geheimnisumwittertes Gebäude, eine Schule für die Töchter der Mächtigen im Land. Ihr Leben steht unter dem Willen des Direktors und der Lehrer. Die Mädchen wissen wenig voneinander, haben keinen Kontakt zu den Menschen im Dorf. Ihre Briefe werden kontrolliert, Unbotmäßigkeit oder gar Kritik mit Ausgangssperre bestraft.
In diese vereinte Welt bricht eine Neue ein, rätselhaft unruhig, auf der Suche nach irgendwas, irgendwem. Sie spricht bereits die dunkle Sprache, die die anderen mühsam lernen müssen, und wird deswegen die Russische genannt.
Dieses Mädchen ist auf der Suche nach ihrer Geschichte, nach den Eltern, nach der Schwester. Die Russische bricht mit dem klosterähnlichen Gebot des Schweigens, fragt die Dorfleute, die Lehrer provoziert Erinnerungen, Vergangenheiten. Was sie erfährt, hilft ihrer Suche nicht, bringt sie aber in Gefahr.
Eines Tages, mitten im Winter, ist die Russische verschwunden - Selbstmord oder Flucht?

Buchbeginn

Ich sah sie nicht laufen, nie sah ich sie kommen über die Felder hinter dem Ort, kein Lachen, keine Stimme, kein Ansturm gemeinsamer, nur uns gehörender Augenblicke, keine doppelten Namen. Sie war hier die Russische. Es war der Name für das, was wir nicht wollten, in aller Entschiedenheit, jedenfalls in der Entschiedenheit, die uns möglich war, an diesem Ort, zu dieser Zeit. Es war das, was wir nicht wollten und uns überall begegnete, uns nachkam, es war das, was wir an dieser Schule zu lernen hatten.