Freitag, 17. Juni 2022

Emmy Ball-Hennings

Emmy Ball-Hennings (17.01.1885 - 10.08.1948) war für kurze Zeit mit dem Schriftsetzer Hennings verheiratet, mit dem sie zwei Kinder hatte. So schloss sich die Seemannstochter einer Wanderbühne an. Seit 1908 trat sie als Chansonsängerin in München und Berlin auf. 1914 wurde sie Mitglied des Künstlerkabaretts "Simplicissimus" und geriet in den Kreis um die Expressionisten G. Heym, Klabund, Franz Werfel und E. Lasker-Schüler. Die weckten ihr Interesse für moderne Literatur.

Sie zog mit dem dadaistischen Dichter und Kulturkritiker H. Ball in die Schweiz, wo sie 1920 heirateten. Beide traten dem Katholizismus bei, was auf Ball-Hennings lyrisches und erzählerisches Werk großen Einfluss gewann.

Sie war jahrelang mit Hermann Hesse befreundet.

Als ihr Mann 1927 starb, widmete sie sich der Herausgabe seiner Werke.



Samstag, 19. März 2022

Füruzan

Die türkische Schriftstellerin Füruzan (29.10.1935 - 11.02.2024) ist nur unter ihrem Vornamen bekannt. Sie entstammt einer Arbeiterfamilie und da der Vater früh starb, hatte sie keinerlei Möglichkeit für eine höhere Schule oder gar ein Studium. Ab Mitte der 1950er-Jahre veröffentlichten verschiedene Zeitschriften von ihr geschriebene Erzählungen und Kurzgeschichten. Später folgen Romane, die anscheinend nicht ins Deutsche übersetzt wurden. In der DNB finde ich nur "Frau ohne Schleier" (dtb, Aufbau), "Logis im Land der Reichen" (entstand während eines Aufenthaltes von 1975 bis 1981 in Deutschland, wo sie Reportagen über das Leben türkischer Arbeitsmigranten schrieb) und das Kinderbuch "Vom rotgesprenkelten Spatzen" (Kinderbuchverlag).

Auf der Rückseite von "Frau ohne Schleier" vom Aufbau-Verlag sind noch folgende Titel angegeben: "Ein Freiplatz im Internat", "Die Belagerung", "Meine Kinos" (alles Erzählungsbände), der Roman "Jahrgang 47" und die Reportagen "Die neuen Gäste". Erwähnung findet sie auch in der Dissertation von Mediha Göbenli: "Zeitgenössische türkische Frauenliteratur: Eine vergleichende Literaturanalyse ausgewählter Werke von Leyla Erbil, Füruzan, Pinar Kür und Aysel Özakin".

Eine Leseprobe aus "Erkundungen - 9 türkische Erzähler", herausgegeben vom Verlag Volk und Welt Berlin, 1. Auflage 1982:

Vergiß das Blut nicht

Als sie in das Café des Einarmigen kamen, zeigte man mich Ihnen, nicht wahr, mein Töchterchen? Kaum, daß Sie richtig Atem geschöpft hatten, wiesen sie auf mich hin, nicht wahr?
Sie sagten: "Seit vier Monaten sitzt sie ständig dort", nicht wahr?
Sie sagten: "Ohne zu essen, ohne zu trinken, bleibt sie dort", nicht wahr?
Der beißende Hunger frißt auch die Bitterkeit. Kann man die Hand nicht mehr ausstrecken, das Knie nicht mehr beugen, dann zerkaut man so wie ich alles, was man in den Mund stopft. Mein Warten hat schon seinen guten Grund.
Warum können unsere hiesigen Männer das nicht begreifen? Was Gott gab, nimmt er auch wieder. Das weißt du. Wir wissen es auch. Dagegen gibt es für uns kein Ankommen... 

Sonntag, 20. Februar 2022

Carmen Abalos

 Ana Lucía del Carmen Abalos Guerrero wurde am 26. Juli 1918 in Santiago de Chile geboren. Der Vater starb 1931 an Tuberkulose; die Familie musste all ihre Besitztümer verkaufen. Zu diesem Zeitpunkt nahm sie sich vor, Schriftstellerin zu werden und schrieb am selben Nachmittag ihr erstes Gedicht - auf französisch - gewidmet ihrer Mutter. Bis zu ihrem Tod hörte sie nicht mehr auf zu schreiben.

Sie studierte Theater an der Margarita Xirgu Academy und an der Le Caveau Company unter der Leitung von Etienne Frois. Auf ihren unzähligen Reisen und Auslandsaufenthalten lernte sie Sprachen wie Englisch, Portugiesisch, Deutsch, Italienisch und Latein. Sie lebte zeitweise in Brasilien und den USA und unternahm unzählige Reisen nach Lateinamerika, Europa und in den Osten.

Zwei Jahre war sie in Brasilien, wo sie sich mit Gabriela Mistral und mit verschiedenen lokalen Schriftstellern anfreundete.

In Chile nahm Carmen Abalos aktiv an Schriftstellerverbänden sowie an internationalen Kongressen und Konferenzen teil. Sie gründete mehrere literarische Gruppen, war stellvertretende Direktorin der Poesiezeitschrift Orfeo, PR-Beamtin der Society of Writers of Chile und Delegierte des Moskauer Frauenkongresses im Jahr 1963.

Ihr literarisches Werk besteht aus dreizehn Gedichtbänden und Kurzgeschichten sowie Essays und Anthologien. Vom Bildungsministerium wurden vier ihrer Bücher zu Hilfsstudientexten erklärt.

Im November 2002 starb Carmen Abalos, nachdem sie gegen verschiedene Krebsarten gekämpft hat. Sie hinterließ ihren Mann Ricardo Dachena Campoli und die Tochter Carmen del Pilar, vier Enkel und zwölf Urenkel.

Quelle: https://www.carmenabalos.com/biografia


Außer einem kurzen Text aus "Erkundungen. 24 chilenische Erzähler", erschienen 1974 im Verlag Volk und Welt Berlin, habe ich keine deutschsprachigen Texte von ihr gefunden:

Leseprobe

Der General

Vor einer Weile hatten sie den weitläufigen Platz erreicht.

Durch die Palmen, die den Weg zum Hauptfriedhof der Stadt säumten, schien ein irgendwie rätselvoller Windhauch zu streichen.

Man gewahrte einen großen Menschenauflauf und Musikkapellen verschiedener Regimenter und Feuerwehrmänner in ihren so unsinnig herausgeputzten Monturen und zwei Ambulanzen vom Rettungsdienst.

Es war ein überwältigendes Begräbnis.

Manch einer dachte im stillen, daß es doch etwas Schönes sei, zu sterben und den lärmenden Abschiedsgruß der Bürgerschaft in so beifälliger Form entgegenzunehmen. Auf einer von Rappen in schwarzem Geschirr gezogenen schwarzen Karosse kam der Sarg daher.

Die Bediensteten vom Bestattungsinstitut waren emsig bemüht um die illustre sterbliche Hülle.

Der Tote in seinem Sarg regte sich vergebens...