Schöffling & Co., 2021
3895614645
Die polnische Schriftstellerin Zofia Nałkowska (10. November 1884 - 17. Dezember 1954) beschäftigte sich frühzeitig mit vom Sozialismus geprägten Literaturbewegungen. Ihre Werke waren vom Patriotismus sowie der Wiedererringung der Souveränität Polens am 11. November 1918 geprägt. In ihrem Heimatland gehörte sie immer zur literarischen Elite, doch im Ausland war sie weitgehend unbekannt. Mit Ausnahme der DDR-Verlage, die einige ihrer Werke mehrfach übersetzten.
1899 schrieb sie in ihr Tagebuch: „Der Mann kann ein erfülltes Leben führen, da in ihm ein Mann und ein Mensch zugleich lebt. (…) Für die Frau bleibt nur ein Bruchteil des Lebens übrig – sie muss entweder ein Mensch oder eine Frau sein.“
Buchinfo
Medaillons, das sind acht Begegnungen mit Opfern und Handlangern des Nationalsozialismus: Eine Frau befreit sich mühsam aus dem fahrenden Viehwaggon, stolpert über die Gleise und wird auf der Flucht angeschossen. Wie im Traum nimmt sie wahr, dass Menschen um sie herum sich zögerlich fragen, ob sie ihr helfen oder sich lieber in Sicherheit bringen sollen. Eine andere, die für die Ausrottung der Juden Verständnis hat, weil sie deren Hass auf die Polen mehr als die Nazis fürchtet, hört beim Blumengießen auf dem Warschauer Friedhof, wie die verzweifelten Stimmen der im Ghetto Eingeschlossenen zu ihr dringen. Mitarbeiter eines Labors finden nichts dabei, dass ihr deutscher Vorgesetzter aus Menschenknochen Seife herstellt. Es sind Geschichten des Grauens, die eine Beobachterin in einer zugleich glasklaren und poetisch dichten Sprache einfängt. Sie selbst hält sich im Hintergrund und verzichtet auf jegliche Wertung, wodurch sie die geschilderten Verbrechen und Leiden umso intensiver für sich sprechen lässt. Zofia Nałkowskas 1946 erschienene, von Marta Kijowska neu übersetzte und mit einem Nachwort versehene Medaillons gelten als ein Meisterwerk der Miniaturprosa und einer der wichtigsten Texte der polnischen Kriegsliteratur. »Dieses Schicksal haben Menschen den Menschen bereitet«, lautet Nałkowskas Erkenntnis, die bis heute nichts an Gültigkeit verloren hat.
Buchbeginn
Professor Spanner
An jenem Morgen waren wir dort zum zweiten Mal. Es war ein klarer, kühler Maitag. Vom Meer her wehte ein frischer Wind; er rief etwas in Erinnerung, das Jahre zurücklag. Hinter den Bäumen der breiten asphaltierten Allee stand eine Mauer, dahinter erstreckte sich ein großer Innenhof. Wir wussten bereits, was wir zu sehen bekommen würden.

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