Montag, 30. Juni 2025

Marianne Mewis

Geschrieben von Sabine Neuhauß 

Marianne Mewis wurde am 6.Dezember 1866 – so die Mehrzahl der Quellen – oder am 6. Dezember 1856 – so auch einige Quellen – in Arnsfelde / Westpreußen geboren. Heute heißt der Ort Gostomia und ist ein Dorf im Powiat Wałecki (Deutsch Kroner Kreis) der polnischen Woiwodschaft Westpommern. 

Der Vater Albert Mewis war Gutsbesitzer, die Mutter Anna Mewis, geborene Wittich, starb früh. Diese Namen der Eltern werden im Magazin "Der Westpreuße" genannt, mit dem Hinweis, dass es sich nicht um wirklich gesicherte Erkenntnisse handelt. Naheliegend erscheint es schon, da Marianne Mewis später auch unter dem Pseudonym M. Wittich veröffentlichte. 

Marianne Mewis erhielt eine gute Schulausbildung, anschließend besuchte sie ein Lehrerinnenseminar und eine Frauengewerbe- und Handelsschule. In Berlin widmete sie sich der Malerei und der Kunstgeschichte. Zwölf Jahre lang leitete sie in Dresden eine Ausbildungsanstalt für Mädchen. 

Seit etwa 1900 widmete sie sich dem Schreiben, seit 1901 sind verlegte Werke nachweisbar. Sie reiste viel, vermutlich bis nach Italien und Lothringen.  

Marianne Mewis verfasste Novellen, kleinere Geschichten und Romane. Damit war sie durchaus erfolgreich, einige Romane erschienen bis in die 1930er Jahre hinein in mehreren Auflagen. In den 1910er Jahren fand sie Erwähnung in Literaturlexika und -sammlungen. Jedoch war das seit den 1920er Jahren nicht mehr der Fall. 

Ihre Werke werden als „Trivialliteratur“ eingeordnet. Der Roman „Der große Pan“ gilt als Musterbeispiel eines sog. „Ostmarkenromans“. Dabei handelt es sich um belletristische Literatur über die preußische Provinz Posen im 19. und frühen 20. Jahrhundert, die oftmals sehr nationalistisch gefärbt war, die Konflikte zwischen der deutschen und der polnischen Bevölkerung thematisierte und ein Bild vom deutschen Kulturauftrag im Osten zeichnete. 

Seit 1928 wurde sie von der Deutschen Schillerstiftung finanziell unterstützt, sie dürfte sich also in 

finanzieller Notlage befunden haben. Am 29. Dezember 1938 ist sie in Schwerin verstorben.  

Werke 

Vineta (unter dem Pseudonym M. Wittich) 1901 

Der Sonntagsmann, 1903 

Die Einfältigen, 1904 

Die Grenzwarte, 1905 

Der große Pan, 1908 

Mettes Kinder, 1909 

Peter Bröms, 1910 

Der Siebenfresser und andere Geschichten, 1912 

Pastings Duve, 1912 

Die holde Gärtnersfrau und andere Erzählungen, 1915 

Die Wolfsjägerin, 1915 

Blaubart, 1917 

Heisse Zeit – Reifezeit, 1919 

Der Umweg zum Glück, 1920 

Ärmste Prinzessin, 1921 

Das Buch, 1923 

Das eine Haus auf Pappelwerder, 1924 

Sowohl die Vollständigkeit der Liste als auch die Erscheinungsdaten sind aufgrund der spärlichen Datenlage mit Unsicherheit behaftet! 

Fazit 

Ob Marianne Mewis „Trivialliteratur“ verfasst hat, möge die Leserin / der Leser für sich selbst entscheiden. Das wird allerdings kein einfaches Unterfangen, denn die Bücher sind nur antiquarisch zu erhalten, seit den 1930er Jahren gibt es keine Neuauflagen mehr. Entsprechend selten sind die Werke anzutreffen. Die wenigen Fundstellen zeigen uns, dass wir es hier wahrhaft mit einer vergessenen Autorin zu tun haben, über die wenig in Erfahrung zu bringen ist. Jedoch lässt ihr eigenständiges Leben, die Berufstätigkeit und die Entscheidung, sich auf die schriftstellerische Tätigkeit zu konzentrieren, eine interessante Persönlichkeit erahnen. 

Quellen 

Wikipedia 

Magazin "Der Westpreuße" 

Stadtwiki Dresden 

Westpreussische Gesellschaft 

DNB Deutsche Nationalbibliothek 

Kürschners Deutscher Literatur-Kalender. 1910. Sp. 1084; mit Foto und Unterschrift 


Zu den Büchern

Dienstag, 24. Juni 2025

Katrin Holland - die Bücher

Man spricht über Jacqueline (1926)

Buchinfo
Kann und darf man sich für die Liebe verbiegen? Ein Lesevergnügen mit farbigem Zeitkolorit der Goldenen Zwanzigerjahre und die Wiederentdeckung einer schillernden Autorin!

Ihre Freunde nennen sie Jack. Die Männer, mit denen sie amouröse Abenteuer hat, auch. Sie ist bezaubernd und sie ist flatterhaft. Die Herzen, die sie schon gebrochen hat, kann sie kaum zählen. Jacqueline ist schlichtweg für ein freies Leben gemacht – bis sie sich zum ersten Mal ernsthaft verliebt. Michael jedoch mag die Frauen nur, wenn sie das Gegenteil von Jack sind: unschuldig und sittsam. Da sie in Paris, London, Berlin einen gewissen Ruf hat, würde Michael sich nie in sie verlieben, wenn er wüsste, wer sie ist. Jack überredet ihre schüchterne Schwester June, die Rolle von Jack anzunehmen, und gibt sich Michael gegenüber als June aus. Fortan ist sie tugendhaft. Sie kommen zusammen. Aber wer ist Jack nun? Und was geschieht, als die Schwester und Michael zusammentreffen?

Diese in vielen Genres produktive und erfolgreiche Autorin ist eine großartige Wiederentdeckung: Dieser Roman ist seit 1930 erstmals neu aufgelegt.


Einsamer Himmel (1938)

Leseprobe
Im Juni wechselte das Kriegsglück wieder. Denikin und die Donkosaken rückten siegreich vor, die ukrainischen Truppen faßten neuen Mut.

"Du wirst sehen, Katharina", sagte Kenyon, "in drei Wochen sind wir wieder in Odessa und in vier Wochen bummeln wir über die Champs-Elysées."
Am 4. Juli fuhr der Rotekreuzzug mit dem General Grigoriew in Odessa ein. Die Ukrainer hatten in blutigen Kämpfen die roten Regimenter geschlagen.
Kenyon gab das Kommando über den Rotekreuzzug ab, um endlich nach Paris zu fahren, wo man soeben den Friedensvertrag in Versailles unterzeichnet hatte. Noch am selben Abend gelang es ihm, zwei Plätze auf dem Schiff zu belegen, das am nächsten Mittag Odessa verlassen sollte.


Carlotta Torresani (1938)

Leseprobe
Sie hatten eigentlich nur bis Ende März in Rom bleiben wollen; jetzt war es schon Mitte April, und sie waren noch immer da. Der Concorso Hippico, der internationale Reiter vereinte, das Derby um den Königspreis, die alljährliche Waffenschau waren die gesellschaftlichen Ereignisse.

Madascena, gerade in Rom anwesend, sagte zu Conte Francesco: "Ich habe vorige Woche mit dem Anwalt der Monte-Acutos gesprochen."
Carlotta hörte es, vergaß es aber wieder. Sie saßen auf menschenüberfüllten Tribünen, atemlos vor Spannung, zu jedem Beifall bereit. Sie sahen Mussolini und jubelten ihm und dem König zu, und sangen begeistert die Nationalhymne, sie fühlten sich als Italiener und waren stolz. Unter dem Volke saßen sie auf rohgezimmerten Brettern, und Truppen marschierten an ihnen vorbei, Waffengattungen aller Art fuhren auf, und die Leute schlugen sich um die Plätze. 


Als Martha Albrand
Die deutsche Übersetzung jeweils unter dem Namen Katrin Holland


Die Fremde in meinem Haus (1966)

Buchinfo
Die Liebe hat Betty in den Tod getrieben.
Schuld daran war Norah, die Frau des Mannes, den sie liebte. Aber noch über den Tod hinaus bleibt die Verkettung ihrer Schicksale bestehen.
Liz, die Tochter Bettys, wird die Frau von Norahs einzigem Sohn. Seine Mutter liebt ihn mit derselben kompromißlosen Besitzgier, die einst ihre Liebe zu seinem Vater kennzeichnete.
Und erneut beginnt ein erbitterter Kampf zweier Frauen um die Liebe eines Mannes.


Mord im Park (1975)

Buchinfo
Richter Butworth wird erstochen im New Yorker Central Park aufgefunden, und ein junger Rechtsanwalt macht sich an die Aufklärung des Mordes. Was zunächst wie eine Routineangelegenheit aussieht, entpuppt sich schon bald als ein brisanter Fall, der immer mehr Geheimnisse aufwirft. Warum trug der Richter einen falschen Bart und eine Perücke? Und was ist eigentlich an den Gerüchten dran, die ihn der Verführung mehrerer Mädchen bezichtigen?


Code Zürich AZ 900 (1978)

Buchinfo
Dem berühmten Schweizer Herz-Gefäß-Chirurgen Anton Zeller ist eine epochemachende Erfindung geglückt: ein Impfstoff, der den Alterungsprozeß nachweisbar verlangsamt. Die Mächtigen der Wirtschaft, die Regierungen werden aufmerksam - sie wittern die Chance für grandiose Manipulationen. Anton Zeller, der die Erfindung noch unter strengstem Verschluß hält, gerät in ein unlösbares Dilemma. Agenten sind auf ihn angesetzt, um ihm den Geheimcode abzujagen. Er wird in ein Verbrechen verwickelt und als Faustpfand internationaler Verschwörergruppen um die halbe Welt entführt. Die Lösung ist so überraschend wie dramatisch.


Die Spur des Bluthundes (1980)

Buchinfo
Eine defekte Boing 727 rast auf die Erde zu, die Notlandung führt zu einer Katastrophe. 20 Passagiere werden getötet, andere schwer verletzt, unter ihnen Chefpilot Thomas Kent. Er überwindet jedoch den Schock, den die mißglückte Landung ausgelöst hat.
Da droht ein zweiter Schlag ihn und seine Familie zu vernichten. Ein anonymer Briefschreiber fordert Vergeltung für die Opfer des Flugzeugabsturzes. Wenn Kent selbst nicht die Konsequenzen zu ziehen bereit ist, soll seine unschuldige Tochter Kate dafür büßen.

Adele Jellinek

Geschrieben von Sabine Neuhauß

Adele Jellinek wurde am 2. März 1890 in Wien-Ottakring geboren. Ihre Eltern waren der Lackierer Samuel Jellinek und seiner Frau Anna, geb. Spitz. Sie hatte vier jüngere Geschwister. Als Kind erkrankte sie an einer rheumatischen Entzündung der Gelenke. Nach einer missglückten Operation, bei der vermutlich Sehnen durchtrennt wurden, war sie seit 1916 auf einen Rollstuhl angewiesen.  

Ab 1919 publizierte sie in Zeitungen und Zeitschriften vor allem Erzählungen, Feuilletons und Skizzen. Ihre erste Veröffentlichung „Die sittlichen Werte des Sozialismus“ erschien 1919 in der pazifistischen Wochenschrift „Neue Erde; es handelte sich um eine Replik auf den Essay „Zur Beurteilung des Bolschewismus“ von Wilhelm Förster. Im Sommer 1921 erschienen zwei Gedichte in der Tageszeitung „Der Abend“. In der Zeit zwischen 1925 und 1934 veröffentlichte sie ihre Werke vor allem in der sozialdemokratischen „Arbeiter-Zeitung“, aber auch im ebenfalls sozialdemokratischen „Kleinen Blatt“, in der unabhängigen Wochenschrift für Frauen „Die Unzufriedene“, in der sozialdemokratischen saarländischen Zeitung „Deutsche Freiheit“, in den Zeitungen „Neues Wiener Abendblatt“ sowie „Neues Wiener Tagblatt“ und der Zeitschrift „Die Frau“ vom Bund Deutscher Frauenvereine.

 Ihr anrührendes Gedicht „Brot und Rosen“, erschien am 13. Februar 1927 in der „Arbeiter-Zeitung“. Dieses Gedicht schrieb sie unter dem Eindruck eines Streiks von Textilarbeiterinnen, bei dem Arbeiterinnen eine Standarte mit der Aufschrift „Wir wollen Brot – aber auch Rosen“ getragen hatten. Es wurde von der Frauenbewegung der 1970er Jahre neu entdeckt. 

Im Jahr 1928 erhielt sie zwei von den „Kinderfreunden“ gestiftete Preise für dramatische Jugenddichtungen. 

Der einzige Roman von Adele Jellinek „Das Tor“ erschien in Arbeiter-Zeitung in Fortsetzungen in der Zeit vom 17. Februar 1929 bis zum 26. April 1929. 

Ab 1933 war sie Mitglied der im selben Jahr gegründeten „Vereinigung sozialistischer Schriftsteller”. Mit dem Ende der Demokratie und Beginn der Diktatur in Österreich im Jahr 1934 (Austrofaschismus) wurden kaum noch Beiträge von Adele Jellinek veröffentlicht. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 musste sie ihre Wohnung in Ottakring, Thaliastraße 93, verlassen. Sie fand Unterkunft im 2. Wiener Gemeindebezirk, der Leopoldstadt, Große Mohrengasse 20, danach in einem Altersheim der Israelitischen Kultusgemeinde Wien im Alsergrund. Am 25. Mai 1943 wurde sie gemeinsam mit 206 weiteren Opfern, von denen letztlich nur 41 überlebten, mit einem Güterzug ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Dort starb sie am 3. September 1943. 

Ihre Schwester Rosa (geb. am 2. Juni 1892) wurde am 2. Juni 1942 nach Minsk deportiert und dort ermordet. Ihr Bruder Josef Jellinek (geb. am 26.Novemberf 1894) war Redakteur des „Kleinen Blattes” sowie des „Arbeiter-Sonntag” und darüber hinaus Mitarbeiter des „Vorwärts-Verlag” in den Jahren des Austrofaschismus. Er wurde bereits 1938 ins KZ Dachau deportiert und verstarb am 5. Oktober 1942 im KZ Sachsenhausen. Die Schwester Laura war durch ihre Ehe mit dem „Nichtjuden" Josef Kolb vor der Deportation geschützt und konnte in Wien überleben. 

Briefe von Adele und Josef Jellinek sind erhalten und können hier gelesen werden. Darunter auch der letzte Brief Adeles an ihre Schwester Laura vom 23. Mai 1943. 


Zum Buch

Sonntag, 22. Juni 2025

Adele Jellinek: Das Tor

Das Tor (1929)

Buchinfo

Adele Jellineks Roman Das Tor wurde 1929 als Fortsetzungsroman in der Wiener Arbeiter-Zeitung gedruckt, geriet durch das Schicksal der jüdischen Autorin jedoch ebenso in Vergessenheit wie sie selbst. Der Roman fängt ein Stück Wiener Zeitgeschichte ein – ein Zeitbild, das den proletarischen Alltag der Bewohner eines Hauses in der Zwischenkriegszeit zugänglich macht. Im Mittelpunkt der Geschehnisse stehen dabei die fünfzehnjährige Hanna Jörgi und ihre Freunde. Die inneren und äußeren Veränderungen beim Erwachsenwerden schildert der Roman genauso berührend wie die sozialen Umstände, in denen die Kinder und Jugendlichen aufwachsen. Arbeitslosigkeit und Armut sowie die damit verbundenen individuellen und sozialen Folgen prägen das Schicksal und die Entscheidungen der Heranwachsenden.

 

Emmi Lewald

Geschrieben von Sabine Neuhauß


Emilie Auguste Marie Lewald wurde am 5. Dezember 1866 in Oldenburg geboren. Sie war die Tochter von Günther Jansen, einem oldenburgischen Regierungsassessor, der später Staatsminister wurde, und seiner Frau Marie Frommelt. Ihre Kindheit verbrachte sie in einem gebildeten, bürgerlichen Umfeld, das ihre literarische Begabung früh förderte und ihr diesbezüglich eine freie Entwicklung ermöglichte. 

Ihr erstes Werk veröffentlichte sie 1888 unter dem Pseudonym Emil Roland mit dem Titel „Unsere lieben Lieutenants. Zeitgemäße Charakterstudie aus deutschen Salons“. Damit erregte sie erhebliches Aufsehen und sorgte für einen gesellschaftlichen Skandal. Die Oldenburger Gesellschaft ging davon aus, bei den Hauptfiguren des Werkes handele es sich – literarisch verfremdet – um die Offiziere der örtlichen Garnison. Das Buch war beim lesenden Publikum durchaus ein Erfolg, die Oldenburger Offiziere waren allerdings sehr aufgebracht. Durch eine Indiskretion einer Freundin wurde die Verfasserin bekannt.  

Emmi Lewald entzog sich dem Skandal und verließ Oldenburg. Sie reiste in der Folgezeit viel und verfasste Reiseberichte, aber auch Novellen, Romane und Lyrik. Sie erarbeitete sich damit schriftstellerische Erfolge, insbesondere ihr erster Roman „Sein Ich“ (1896) wurde  von der Literaturkritik gelobt.  

Sie heiratete 1896 den Juristen Felix Lewald, der im Finanzministerium als „Geheimer Finanzrat“, ab 1900 als „Wirklich Geheimer Oberfinanzrat“ und „Vortragender Rat“ tätig war. Er publizierte zu staatsrechtlichen Themen. 

 Im Zuge der Eheschließung zog Emmi Lewald nach Berlin. Dort engagiert sie sich in der bürgerlichen Frauenbewegung, wird Mitglied des Vorstands des Deutschen Frauenklubs und des Vorstands des Lyzeumsklubs sowie Vorsitzende des Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunstfreundinnen. Sie arbeitet als freie Mitarbeiterin an der von der Frauenrechtlerin Helene Lange herausgegebenen Zeitschrift „Die Frau“ mit. Auch mit Bertha von Suttner stand sie in Kontakt. In den Berliner Salons fand sie mit ihren Werken zunehmend Beachtung und Anerkennung.  

Ihr Mann starb 1914. Ihre schriftstellerische Tätigkeit setzte Emmi Lewald bis Mitte der 1930er Jahre fort. Während der NS-Zeit war sie nicht mehr im öffentlichen Leben aktiv; sie lebte in Apolda in einem Pflegeheim. Am 29.9.1946 ist sie dort verstorben. Ihr Grab sowie dasjenige ihres Ehemannes befinden sich auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf.

 

Werke: 

Unsere lieben Lieutenants. Zeitgemäße Charakterstudien aus deutschen Salons. Leipzig 1888  - salonkritische Skizzen, die Offiziere karikierten 

Der Cantor von Orlamünde. Dichtungen. Oldenburg 1890
- Mischung aus Lyrik und kurzen Erzählungen -

Ernstes und Heiteres. Novellen und Skizzen. Jena 1891 

Auf diskretem Wege. Bade-Novelle. Norden/Norderney 1892 

Die Geschichte eines Lächelns, und andere Novellen. Berlin 1894 

Fräulein Kunigunde. Novelle. Berlin 1894 

Gedichte. Oldenburg 1894 

Sein Ich. Roman. Berlin 1896 - psychologischer Roman, der das innere Erleben der Protagonistin in den Vordergrund stellt.  

Italienische Landschaftsbilder. Skizze. Oldenburg 1897 

Kinder der Zeit. Novellen. Berlin 1897  

In blauer Ferne. Neue Novellen. Berlin 1898 

Die Geschichte einer Beziehung. In: Über Land und Meer. Band 82 1899 

Die Erzieherin. Roman. Stuttgart 1899 - gesellschaftliche Erwartungshaltung versus individuelle Selbstverwirklichung mit dem Fokus auf die 

Rolle der Frau - Gefühlsklippen. Novellen. Berlin 1900 

Das Glück der Hammerfelds. Roman. Berlin-Eisenach-Leipzig 1900 - gesellschaftliche Erwartungshaltung versus individuelle Selbstverwirklichung mit dem Fokus auf  die Rolle der Frau  – 

Der Mut zum Glück. Novellen. Berlin 1901 

Gedichte. Neue Folge. Oldenburg-Leipzig 1901 

Das Schicksalsbuch, und andere Novellen. Berlin 1904  

Sylvia. Roman, Stuttgart 1905 - gesellschaftliche Erwartungshaltung versus individuelle Selbstverwirklichung mit dem Fokus auf die Rolle der Frau - 

Die Heiratsfrage, und andere Novellen. Stuttgart 1906 - gesellschaftliche Erwartungshaltung versus individuelle Selbstverwirklichung mit dem Fokus auf die Rolle der Frau - 

Der Lebensretter. Roman in Briefen. Stuttgart 1907  

Das Hausbrod des Lebens. Roman. Berlin 1908 

Der Magnetberg. Roman. Berlin 1911 - soziale Konflikte – 

Stille Wasser. Novellen. Stuttgart 1912 - soziale Konflikte -  

Die Wehrlosen. Roman. Berlin 1912 - soziale Konflikte – 

Die Rose vor der Tür. Roman. Berlin 1912 

Der wunde Punkt. Novellen. Berlin 1914 

Exzelsior! Roman. Berlin 1914 

Unter den Blutbuchen. Roman. Berlin 1915 - familiäre und gesellschaftliche Verstrickungen –  

In jenen Jahren. Memoiren. Berlin 1919 - autobiographische Memoiren, Lebensweg und Erfahrungen bis zur Zeit des Ersten Weltkrieges 

Die Frau von gestern. Roman. Berlin 1920 - weibliche Identität, Generationskonflikte, Modernisierung – 
Das Fräulein von Güldenfeld. Roman. Berlin 1922 - weibliche Identität, Generationskonflikte, Modernisierung – 

Lethe. Roman. Dresden 1924 - weibliche Identität, Generationskonflikte, Modernisierung – 

Das Fräulein aus der Stadt. Roman. Berlin 1929 - weibliche Identität, Generationskonflikte, Modernisierung – 

Heinrich von Gristede. Roman. Detmold 1934 - satirischer Blick auf die Alltags- und Bürokultur der 1930er Jahre - 

Büro Wahn. Roman. Detmold 1935 - satirischer Blick auf die Alltags- und Bürokultur der 1930er Jahre - 

Sekundärliteratur: 

Ruth Steinberg-Groenhof: Die Schriftstellerin Emmi Lewald (1866–1946). Weibliche Autorschaft,
Zeitgeist und Literaturmarkt, Köln u. a. (Böhlau) 2015 

Ausstellung der Landesbibliothek Oldenburg: Ich hatte Schriftstellerehrgeiz, 2013, Isensee Verlag 

Die Liebesgedichte von Emmi Lewald findet man unter  

Der Roman „Sylvia“ und „Das Schicksalsbuch und andere Novellen“ wurden 2021 bzw. 2023 neu 

herausgegeben von Henricus - Edition Deutsche Klassik GmbH, Berlin 


Fazit 

Emmi Lewald war eine bedeutende Stimme der bürgerlichen Frauenbewegung und eine engagierte Autorin. Ihr Werk ist eine wichtige Quelle zur Kultur- und Frauengeschichte der Kaiserzeit und der Weimarer Republik. Sie thematisierte die gesellschaftliche Erwartungshaltung Frauen gegenüber im Gegensatz zu deren individueller Selbstverwirklichung. Sie setzte sich dabei mit den Normen der bürgerlichen Gesellschaft, der Frage der Emanzipation, aber auch mit der Alltagsrealität auseinander. Die inneren Konflikte der handelnden Personen stehen oft im Mittelpunkt. 


Quellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Emmi_Lewald 

https://de.wikisource.org/wiki/Emmi_Lewald 

https://www.oldenburger-onlinezeitung.de/oldenburg/emmi-lewald-zwischen-buergerlichkeit-und

emanzipation-1319.html 

Samstag, 14. Juni 2025

Christina Stead - die Bücher

Der Mann, der seine Kinder liebte (1940)

Buchinfo

Der vorliegende Roman, ein Familiendrama von geradezu epischen Ausmaßen, spielt in Washington und Baltimore. Henrietta Pollit, der besseren Gesellschaft angehörend, ist nach etlichen Schwangerschaften vom Leben an der Seite eines ehrgeizigen, selbstverliebten Ehemannes bitter enttäuscht. Die fortschreitende Frustration führt schließlich zu einer offenen Auseinandersetzung.

Donnerstag, 12. Juni 2025

Ruth Kraft - die Bücher

Das Schildbürgerbuch von 1598 (1953)

Janni vor dem Mikrofon (1954)

Insel ohne Leuchtfeuer (1959)

Gestundete Liebe (1970)

Träume im Gepäck (1972)

Solo für Martina (1978)

Unruhiger Sommer (1979)

Die Kunst, Damen zu empfangen (1983)

Leben von der Pike auf - Autobiographie (2000)


Nuala O'Faolain: Dunkle Tage, helles Leben

Von der Sinnlichkeit des Augenblicks, von der Einsamkeit, vom Suchen und Finden der Liebe

Als Rosalynn Barry spürt, dass die Liebe zu Leo nach neun Jahren langsam erkaltet, kehrt sie in ihre Heimat Irland zurück. In Kilbride bei Dublin taucht die fünfzigjährige Journalistin in eine Vergangenheit ein, deren Schatten sie verfolgt haben, und entdeckt Wege der Liebe, die sie immer vermisst hat.

In ihrem letzten Roman erzählt die große irische Schriftstellerin Nuala O’Faolain so eindringlich wie leidenschaftlich von der Suche nach dem Sinn des Lebens.

In der Mitte ihres Lebens, das angefüllt war mit interessanten Jobs, Abenteuerlust und wechselnden Liebhabern kehrt Rosie zurück in ihre Heimat Irland. Sie fühlt sich ihrer Tante Min verpflichtet, die einsam ist und Hilfe braucht. Doch Min sieht das ganz anders und reist kurz entschlossen nach New York, um endlich ihren Träumen nachzugehen. Plötzlich allein, wird Rosie mit einem Leben in Irland konfrontiert, vor dem sie immer davongelaufen war. Erst als sie das verfallene Haus ihres Großvaters renoviert und eintaucht in die Vergangenheit, lernt Rosie mal schmerzlich, mal heiter mehr über sich selbst und findet Freundschaft, Familie und Liebe.

Nuala O′Faolain: Sein wie das Leben

Sich aussetzen und bis an die Genzen gehen. Stark und durchlässig sein und kompromisslos Schmerz und Sehnsucht leben. Diese Unbedingtheit macht Nuala O'Faolains Schreiben - und auch ihr Leben - aus.

'Sein wie das Leben' ist ein Buch über das Unterwegssein und die Hoffnung auf Ankunft bei sich selbst: Schonungslos, ehrlich, sehr weiblich und zutiefst bewegend.

 

Mittwoch, 11. Juni 2025

Cathérine Rihoit: Die Favoritin

Verlag Neues Leben, 1986

Buchbeginn
Alle Mann rein ins Auto. Ein bißchen unangenehm, so zusammengepfercht zu werden. Wenn man irgendwo mit Leuten zusammengepfercht wird, die man nicht kennt, in einem Auto oder auf einem Sofa bei Gastgebern, die nicht genug Platz für alle haben, ist das unangenehm, weil man immer so tun muß, als gäbe es genügend Platz. Ansonsten sieht das aus, als hielte man die Leute für pleite oder abgebrannt, was sie in Wirklichkeit ja auch sind. Aber das darf man nicht sagen, weil es unhöflich wäre.
 

Montag, 9. Juni 2025

Fanny Wibmer-Pedit: Die Hochzeiterin

Verlag Josef Habbel, 1949


Buchinfo
Land und Leute Osttirols sind hier mit gleicher Plastik vor uns hingestellt, wie sie etwa der Pinsel eines Defregger oder besser noch eines Egger-Lienz festzuhalten wußte. Auch in diesem Buche weht uns von jeder Seite der herbe Geruch der Heimatscholle an. Die bodenständige Echtheit der Figuren gewinnt noch durch die getreuliche Wiedergabe der Mundart. Auch hier ist die düstere Mär von Schuld und Sühne erhellt durch den Glorienschein, der die rührende Gestalt der armen Zilli umgibt, an deren demütiger Liebeskraft die reuegequälte Seele Halt und Genesung findet. 

In dem Buch spricht eine Dichterin, die die Menschenseele und ihre Tragik zu deuten weiß, ohne immer das Letzte sagen zu müssen, deren glänzende Inbrunst in aller Tragik beruhigenden Trost zu spenden weiß.

 

Fanny Wibmer-Pedit: Maria Theresia

Amalthea-Verlag, 1980

Buchinfo
Maria Theresia, die legendenumwobene Kaiserin von Österreich, ist Mittelpunkt dieses historischen Romans der bekannten Osttiroler Schriftstellerin Fanny Wibmer-Pedit. Die Autorin führt uns kein historisches Wandgemälde vor; sie zeichnet das bewegte Schicksal einer Frau nach, deren Leben Bewunderung abverlangt, deren Taten die Nachwelt entscheidend beeinflußten. Als Maria Theresia 1740 die Nachfolge ihres Vaters, Karls VI., antrat, befand sich der Staat sowohl innen- als auch außenpolitisch in einer schwierigen Situation. Als die Kaiserin 1780 starb, übernahm ihr Sohn Joseph II. ein gefestigtes Österreich-Ungarn. Das an Schicksalsschlägen reiche, im tiefsten Grunde schwere Leben Maria Theresias hat viele Schilderer gefunden. Das Besondere dieses Buches liegt darin, daß die Autorin das Leben der Kaiserin aus ihrem Frau-sein zu deuten versteht: als intellektuelle Person, als große Liebende, als zärtliche Mutter von sechzehn Kindern. Mit umfassender Geschichtskenntnis und dem Einfühlungsvermögen einer großen Erzählerin vermittelt uns die Autorin das Lebensbild dieser bedeutenden Frau, die vierzig Jahre lang über die österreichischen Kronländer herrschte.


Buchbeginn
Die Großherzogin hat sich in den stillen Winkel des verlassenen Kinderzimmers zurückgezogen. Bangigkeit erfüllt ihr Herz, darüber vermag auch der lustige Hoftratsch ihrer Damen nicht hinwegzuhelfen.
Franz Stefan ist nie ein Spielverderber, so ist er in der Gesellschaft geblieben. Er hat gestern von Halbthurn eine recht betrübliche Nachricht gebracht. Ganz unerwartet verließ er die Hofjagden, an denen seine Gemahlin ihres Zustandes wegen nicht teilnehmen kann. Der Großherzog behauptete zwar, nur um seine geliebte Theres zu sehen, komme er in die Favorite hinaus, und er erzählte nur so nebenher, daß den Kaiser wieder einmal seine böse Fußgicht angefallen habe, es könne sogar die Hofjagd abgeblasen werden, doch hoffe man das Beste und sehe in der jähen Erkrankung bloß eine vorübergehende Unpäßlichkeit. 

Fanny Wibmer-Pedit: Meinhard

Amalthe-Verlag, 1980

Buchinfo
Im 13. Jahrhundert gelang es Meinhard II., Graf von Tirol-Görz und Herzog von Kernten, Nord- und Südtirol zu ,einem' Tirol zusammenzuschließen. Als erster Landesfürst Tirols war Meinhard eine der interessantesten Gestalten jener Zeit, in der sich der Zerfall der herrschenden Strukturen ankündigte und die Habsburger in die Politik eintraten.
Als treuer Verbündeter Rudolfs von Habsburg war Meinhard Wächter des Reiches im Süden; entscheidend trug er zum Sieg Rudolfs über Ottokar von Böhmen bei.


Leseprobe
Da stand er vor ihm, Meinhard II. von Tirol. Wie jung noch! Unbeugsamen Willen verriet der harte Glanz dieser grau-blauen Augen. Gelassen, aber voll edlen Anstands tat er dem Bischof kund, um wessen wegen er nach Trient gekommen. Mit feierlichem Ernst begehrte der jugendliche Schutzvogt vor den anwesenden Kapitelherren und seinem adeligen Gefolge die Belehnung der Eppaner und Ultener Lehen laut verbriefter Rechte und der Bestätigungen Kaiser Friedrichs II. und König Konrads IV. Es war vorbei, Egno durfte es nicht wagen, die Forderung abzuweisen. Meinhard II. brauchte die Drohung nicht auszusprechen, die Belehnung nötigenfalls mit Gewalt der Waffen zu erzwingen. Die Drohung stand vor den Toren Trients, stand prunkend auf den Plätzen und Gassen der Stadt, stand vor ihm als neue Kampfansage.

 

Sonntag, 8. Juni 2025

Nuala O'Faolain: Ein alter Traum von Liebe

Kathleen de Burca ist bereit, bis an die Grenzen zu gehen. Die Grenzen der Liebe, die sie seit Jahren vermisst. Dabei stößt sie nicht nur auf die ebenso skandalöse wie tragische Geschichte einer Amour fou, sondern vor allem auf einen Mann, der ihre Gefühle herausfordert. Vielleicht zum letzten Mal.


Ein großartiger Roman über die Schmerzen der Leidenschaft und die Unbedingtheit der Liebe.

 

Freitag, 6. Juni 2025

Nuala O'Faolain: Nur nicht unsichtbar werden

Nuala O'Faolain hat von jung auf gegen ihr Leben, wie man es im erzkatholischen Irland für Frauen vorgesehen hat, rebelliert: Heirat, Kinder und männliche Gewalt. Immer wieder hat sie Affären und sie sucht Trost im Alkohol. Erst in der Beziehung mit Nell (die Journalistin Nell McCafferty) entdeckt sie mit ihr zusammen eine neue Welt.

Elke Heidenreich hat gefragt: "Warum habe ich mich nie getraut, etwas Ähnliches zu schreiben?"

Und Frank McCourt (ebenfalls ein irischer Schriftsteller) meint: "Man möchte, dass das Buch nie aufhört. Und man ahnt, dass hier der wahre Wein des Lebens gereicht wird."

Beim ersten Lesen des Buches (vor über zehn Jahren) hat es mir, trotz des ernsten Themas, einfach wunderbar gefallen. Gewalt in der Familie ist nicht gerade etwas, was man gerne liest und noch viel schwieriger ist es - wie ich weiß - aus eigener Erfahrung darüber zu schreiben. Dieses Thema - auch wenn es hier im Buch aus einer früheren Zeit erzählt wird - muss unbedingt viel öffentlicher  gemacht werden. 

Ich konnte das Leben der Autorin sehr gut nachvollziehen, weil es solche Familiengeschichten nicht nur "im erzkatholischen Irland" gab, sondern auch bei uns in der DDR und auch heutzutage - im Jahr 2022 - sind Alkohol und Gewalt in der Familie immer noch präsent. Und aus Scham wird es meistens verschwiegen. 

Umso mehr bewundere ich Nuala O'Faolain dafür, dass sie es geschafft hat, ihren eigenen Weg auf der Suche nach dem Glück zu gehen.

Als Kind ist man in so einem Elternhaus völlig hin- und hergerissen. Man liebt doch die Eltern. Gleichzeitig hat man wahnsinnige Angst, wie Nuala O'Faolains jüngster Bruder in einem Brief schrieb:

"'Ich liebte meine Mutter und verehrte meinen Vater, als ich ein Junge war', schrieb er mir in einem Brief, der unsere ganze Verwirrung zusammenfasste. 'Sie waren Mutter und Vater für uns, ein Kind kann das gar nicht anders sehen. Auch wenn ich mir vor Angst in die Hose gemacht habe, wenn er besoffen nach Hause kam und auf Mutter einprügelte. Ihre Hilfeschreie waren herzzerreißend, und ich verkroch mich in eine Kommodenschublade...'"

Dabei hat sich der Vater einfach geweigert, Vater zu sein. Die Söhne waren mit all den Problemen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, auf sich gestellt. Der eine ging in die British Army, um ihn zu beeindrucken. Einer machte gar keinen Ärger, vergeudete mit Jobs, die ihm nichts abverlangten, Jahre seines Lebens. Den Jüngsten schickten die Eltern zu Nuala O'Faolain nach London. Als die Mutter ihn aufs Schiff brachte, war sie betrunken, der Vater war noch nicht mal da.

In den Internaten mussten die Mädchen alles, was sie über Körper gelernt haben, vergessen. Doch ihr Schicksal war "von einer Ehe und nicht etwa von Bildung bestimmt". Davon, was für einen Mann sie bekamen. Um aber einen zu kriegen, mussten sie mit einem gehen. "Deshalb waren die wichtigen Dinge des Lebens - das Karrierehandwerkszeug - Manieren, Figur, Kleider und sorgfältig dosierte kleine Freiheiten, die man diesem oder jenem Mann erlaubte."

In der Öffentlichkeit wurden die Gefühle, die Schulmädchen haben, immer lächerlich gemacht. Doch alle emotionalen Erfahrungen bauten auf ihnen auf, "die für das ganze Leben so entscheidend sind. Sie waren nicht bloß ein Ersatz für all das, was wir mit Jungen getan hätten, wenn wir nicht auf dem Internat gewesen wären - das vermuteten nämlich die Männer immer."

In den 1970er Jahren (Nuala O'Faolain ist in den 30er Jahren) nahm sie an Frauendemonstrationen teil. Doch man hätte sie nicht fragen dürfen, warum. Die Antwort wäre: Für die anderen Frauen. Sie hatte einen tollen Job. Es kam ihr nicht in den Sinn, sich selbst infrage zu stellen. Wenn es dann mal klickte, konnte sie überall in der Gesellschaft Sexismus sehen. "Aber mir war überhaupt nicht bewusst, mit welchem Nachdruck ich die Verantwortung für mein persönliches Glück regelmäßig den Männern zuschob."

In einer Rezension schrieb eine Leserin, dass sie das Buch beim jahrelang späteren Lesen nicht mehr so toll fand. Weil die Autorin sich selbst für ihren Beruf hochgeschlafen haben soll. Schade. Aus heutiger Sicht lässt sich natürlich gut urteilen, wie Menschen sich früher verhalten haben. Zudem hat Nuala O'Faolain ihre eigenen Irrtümer oder Fehler nicht verheimlicht. Als aufmerksame Leserin kann ich da sehr gut zwischen den Zeilen lesen.

Noch aufwühlender fand ich aber fast das Nachwort, in denen die Schriftstellerin einige Sätze aus Reaktionen von überwiegend Frauen auf ihr Buch preisgibt.

Nach der Trennung von Nell (die Beziehung dauerte gut fünfzehn Jahre) füllte das Erscheinen dieses Buches die Leere in Nuala O'Faolains Leben, die garantiert gekommen wäre. Auf Anhieb landete es auf der Bestsellerliste. Fremde Menschen umarmten sie auf der Straße, liefen in den nächsten Buchladen, um sich ihr Buch signieren zu lassen. Sie erhielt Leserbriefe aus aller Welt: von Männern, doch vor allem von Frauen. Frauen, die aus ihrem Leben erzählten. Vom Mann, der fremdging, sie aber bliebe, weil sie kein Geld hatte und wegen der Kinder, die beide Elternteile haben sollten. Eine siebzigjährige Großmutter schrieb: "Sie haben die Aufgabe, das auszusprechen, was wir, die wir uns nicht artikulieren oder von zu Hause aus zögerlich sind, fühlen und denken."

Eine junge Frau schrieb: "...eine obskure Scham darüber, weiblich zu sein - was ich noch nicht mal wusste, dass ich es so empfinde -, löst sich langsam...". Die meisten Frauen schrieben darüber, dass sie schon längst keine brennende Leidenschaft mehr erwarten, sie aber schon mal zufrieden wären, wenn man ihnen ehrliches Interesse entgegenbringen würde. Stattdessen müssen sie nur funktionieren. Eine Frau Schrieb: "Ich habe Angst, in den Spiegel zu schauen, in dem ich meinen Vater, den Wahnsinn oder die Leere erblicke."

Was war das für ein Leben für die Frauen. Und es waren keine Einzelfälle, so funktionierte die Gesellschaft. Als kleine Mädchen, wurden sie geschlagen, ebenso als Frauen. Niemand brachte ihnen echtes Interesse entgegen. Oft zieht es sich durch die Generationen. Glücklich die Frau, die es schafft, aus der Spirale auszubrechen. Aber was für ein Kampf ist das zumeist.

Wenn meine Mutter alt geworden wäre und wenn ich sie hätte lieben können, 

könnte ich dann heute meinen eigenen, älter werdenden Körper lieben? Wie schafft man das? 

Montag, 2. Juni 2025

Nuala O'Faolain: Chicago May. Die Königin der Gangster

"Fast alle Menschen auf der Welt wurden vergessen, ohne daß sich jemand hinterher noch die Mühe machte, eine sorgfältige Bilanz ihres Lebens zu ziehen."

Nuala O'Faolain schreibt den Frauen ins Herz und aus dem Herzen.

Kürzlich habe ich zwei Interviews mit Alice Schwarzer gesehen, in denen es um das El Dorado Deutschland in Sachen Menschenhandel und Prostitution geht. Möglich gemacht haben soll dies das Prostitutionsgesetz, das seit 1. Januar 2002 galt. Seit 2016 gibt es eine Änderung zugunsten der Frauen, die in diesem Gewerbe arbeiten (nachzulesen auf Wikipedia). 

Um eben dieses Thema geht es auch in diesem Buch. Und es macht mich wieder mal wütend, da ich viele Fakten erfahre, wie die Frauen, in diesem Fall speziell Prostituierte, dahinvegetieren mussten. Denn als ein Leben kann man das wahrlich nicht bezeichnen.

Chicago May von Nuala O'Faolain ist ein Wahnsinnsbuch, ein wenig vergleichbar mit The Five von Hallie Rubenhold.

Die Autorin schrieb nicht nur eine Art Biografie über Chicago May, sie gibt, ebenso wie Hallie Rubenhold, auch viele Informationen über die Zeit, in der Chicago May lebte. Obwohl das Quellenverzeichnis am Ende des Buches nur eineinhalb Seiten umfasst, bei Hallie Rubenhold waren es meiner Erinnerung nach 25 Seiten.

Vielleicht wüssten wir heute noch nichts über Chicago May, die als May Duignan geboren wurde, wenn die Autorin nicht zufällig bei einem Aufenthalt im Westen von Irland deren Namen hörte und neugierig wurde.

Von Lokalhistorikern, alles Männer, erfuhr sie im Prinzip nichts Vernünftiges:

"Als sie auf Umwegen schließlich auf May zu sprechen kamen, wurde ihr Ton vorsichtig.

,Sie war ein feiner Mensch', sagte James, doch sah er sich dabei ein wenig hilflos um, weil es nicht zu leugnen war, daß dieser feine Mensch zur berüchtigten Verbrecherin geworden war.

Unser Gastgeber, der Mann des Hauses, sagte feierlich: ,Die Duignans waren sehr anständige Leute. Sehr, sehr anständige Leute.'

,Sie war ein feiner Mensch, aber sie ist in schlechte Gesellschaft geraten', kam ihm der Balladenschreiber zu Hilfe.

Die drei Herren nickten. Sie hatten eine Formel gefunden, die May für ihren Heimatort rettete, auch wenn man ihr den freien Willen absprach."

Im Internet wurde die Autorin in der Manhattan Public Library fündig: "Chicago May. Her Story. A Human Document by the Queen of the Crooks, May Churchill Sharpe, 1928." Manhattan war allerdings 3000 Meilen entfernt. Es gab aber eine Biografie über sie von einem Lokalhistoriker, die dieser 1928 erschienenen Lebensgeschichte zugrunde liegt.

So erfahre ich, dass Chicago May gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausgerissen ist und nach Amerika ging. Was der Grund dafür war, da spekuliert Nuala O'Faolain ein bisschen und bezieht die damaligen Lebensbedingungen der jungen Frau mit ein. Ein Leben in Armut, sie musste zu Hause richtig mit anpacken und dann auch noch Mutterstelle an den Geschwistern vertreten. Das war dann wohl zu viel. Vielleicht wurde sie auch missbraucht, was nicht unmöglich erschien.

Sie stahl den Eltern das Geld, dass diese bei einer Viehmesse verdient hatten und floh nach Liverpool. Sie kleidete sich neu ein und buchte ein Ticket für die Überfahrt nach Amerika.

In New York angekommen, konnte sie ihren Lebensunterhalt nur durch Taschendiebstahl und Prostitution verdienen. Als junge Ausreißerin lebte sie nicht ungefährlich:

"Ich hatte schreckliche Angst davor, schwanger zu werden. Ich war nicht umsonst mit Viehzucht großgeworden. Ich glaube nicht, daß Kinder unverhofft vom Klapperstorch gebracht wurden. Deshalb ließ ich im Umgang mit Jungen äußerste Vorsicht walten."

Sie ging nach Nebraska, wo ein Onkel lebte, doch es gefiel ihr nicht. Sie heiratete Dal Churchill, "wohlwissend, daß er ein Einbrecher, Viehdieb, Panzerknacker, Straßenräuber war, ein Krimineller also, der mit allen Wassern gewaschen war". Von ihm lernte sie noch das Verbrecherhandwerk, bevor sie auch schon Witwe wurde.

May entschied nicht, wie ihr Leben weiter verlaufen sollte; was als nächstes geschieht, diktierte ihr eigentlich immer die Not, in der sie lebte. So zog sie nach Chicago, wo sie Dora Donegan kennenlernte. Zusammen mit ihr, riss sie Freier auf und bestahl sie. An Männern fehlte es zu dieser Zeit nicht. Es war 1892 und die größte Weltausstellung aller Zeiten wurde in Chicago aufgebaut. Das bedeutete Zehntausende von Männern, die gut verdienten und viel Zeit hatten.

In Mays Buch gibt es nur eine Stelle, in der sie überlegte, was unter anderen Umständen aus ihr hätte werden können:

"Wenn ich nach Dals Tod ein Kind bekommen hätte, oder wenn ich wieder zu meiner Familie zurückgegangen wäre, kann sein, daß ich dann zu einem normalen Leben gefunden hätte."

"Die Frauen müssen bis ins Mark vor Einsamkeit gefröstelt haben."

May schreibt von einigen Männern, die sie gut behandelt hat, da sie bescheiden auftraten. Doch allgemein sah sie sie schlicht als Beute.

"Manche Männer vertreten die Ansicht, daß eigentlich nichts dabei ist, sich ein Mädchen zu kaufen. Sie sehen es als ein Vergnügen, das man vielleicht seinem Sohn spendiert, etwas, was man sich an einem Abend mit Freunden gönnt, wobei man der Hure gern ein paar Dollar mehr in die Hand drückt, wenn sie sich als guter Kumpel erweist. Ihrem Interesse entspricht es, die Transaktion mit sentimentalem Blick zu sehen. Aber Huren sind nicht sentimental. Die Nutte mit dem goldenen herzen, dieses beruhigende Geschöpf, ist nicht ,ihre' Erfindung. Meiner Ansicht nach ist Mays eindeutige, vollkommen emotionslose Feindschaft den Freien gegenüber typisch für ihren Beruf."

Frauen, die sich verkaufen müssen, werden wütend. So war es nicht unüblich, dass sie diverse Waffen in ihren Kleidern versteckten: Pistolen, Messer, Rasierklingen, Baseballschläger oder Totschläger. Und wenn sie sich nicht durch Drogen und Alkohol betäubten, wurden sie schon mal gewalttätig.

"Die Chicagoer Sittenkommission stellte sorgfältige Nachforschungen an. Anhand der Listen, die von Bordellwirtinnen geführt wurden, rechnete man aus, wie viele Männer eine Frau im Durchschnitt zu bedienen hatte. Das tat man nicht, um Mitgefühl zu wecken, sondern um abzuschätzen, wieviel mit Prostitution verdient wurde. Im Anhang des an sich nüchtern gehaltenen Berichts wurde eine Seite mit den Strichen abgedruckt, die eine Madam in ihrem Buch gemacht hatte, um mitzuzählen, wie viele Freier jedes Mädchen mit nach oben nahm. Die Striche haben bis heute etwas Erschreckendes, wie Spuren von Sklavenhänden an den Wänden ihrer Pferche."

Hier ende ich mal und lege euch das Buch ans Herz, auch wenn es manchmal schwer zu lesen ist, wenn es um Fakten geht, was Frauen zu ertragen hatten.


Zitat

Meine eigenen Memoiren schrieb ich - auch wenn ich es erst im nachhinein erkannte - zum Teil, weil mein Stolz durch das Gefühl verletzt war, in der Welt nichts zu gelten. Ich wollte mitteilen, daß mehr an mir dran war.