Donnerstag, 31. Juli 2025

Ines Geipel - die Bücher

 Inge Müller: Irgendwo; noch einmal möcht ich sehn. Lyrik, Prosa, Tagebücher. Mit Beiträgen zu ihrem Werk. Hrsg.: Ines Geipel. Aufbau-Verlag, Berlin 1996, ISBN 978-3-351-02361-4.

Kein Retour. Neunzehn Toene aus Staub, Zahl und Liebe. Textlandschaften, Jena 1997.

Das Heft. Roman. Transit Buchverlag, Berlin 1999, ISBN 3-88747-146-6.

Die Welt ist eine Schachtel. Vier Autorinnen in der frühen DDR: Susanne Kerckhoff, Eveline Kuffel, Jutta Petzold, Hannelore Becker. Hrsg. u. kommentiert von Ines Geipel. Transit, Berlin 1999, ISBN 3-88747-141-5.

Diktate. Gedichte. Vacat Verlag, Potsdam 2000, ISBN 3-930752-14-X.

Verlorene Spiele. Journal eines Doping-Prozesses. Transit, Berlin 2001, ISBN 3-88747-160-1.[93]

Dann fiel auf einmal der Himmel um. Inge Müller – Die Biografie. Henschel Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-89487-417-1; auch als Taschenbuch.

Für heute reicht’s. Amok in Erfurt. 2. Auflage. Rowohlt, Berlin 2004, ISBN 3-87134-479-6.

Heimspiel. Roman. Rowohlt, Berlin 2005, ISBN 3-87134-525-3.

No Limit. Wie viel Doping verträgt die Gesellschaft. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-608-94458-7.

Zensiert, verschwiegen, vergessen. Autorinnen in Ostdeutschland 1945–1989. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2009, ISBN 978-3-538-07269-5.

Black Box DDR. Unerzählte Leben unterm SED-Regime. Mit Andreas Petersen. Marix Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-86539-211-4.

„Seelenriss“. Depression und Leistungsdruck. Klett-Cotta, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-608-94659-8.

Der Amok-Komplex oder die Schule des Tötens. Klett-Cotta, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-608-94627-7.

Generation Mauer. Ein Porträt. Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-94749-6.

Gesperrte Ablage. Unterdrückte Literaturgeschichte in Ostdeutschland 1945–1989. Mit Joachim Walther, Lilienfeld Verlag, Düsseldorf 2015, ISBN 978-3-940357-50-2, auch als E-Book, ISBN 978-3-940357-51-9.

Kalte Bücherverbrennung: Unterdrückte Literatur in der DDR. Carl Hanser Verlag, München 2015, ISBN 978-3-446-25042-0 (27 S.).

Tochter des Diktators. Roman. Klett-Cotta, Stuttgart 2017, ISBN 978-3-608-98311-1.

Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass. Klett-Cotta, Stuttgart 2019, ISBN 978-3-608-96372-4. (Zur gleichen Zeit Paperbackausgabe bei der [Bundeszentrale politische Bildung])

Schöner Neuer Himmel. Aus dem Militärlabor des Ostens. Klett-Cotta, Stuttgart 2022, ISBN 978-3-608-98429-3.

Fabelland. Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück. S. Fischer, Frankfurt am Main 2024, ISBN 978-3-10-491884-6.

Ines Geipel: Zensiert, verschwiegen, vergessen

Artemis & Winkler, 2009


"Ich wollte an die Kunst glauben als außerstaatliche Lebensqualität."

Gabriele Stötzer, 80er Jahre der DDR


"Es ist an der Zeit, dem anderen Gesicht einer Literatur, bei der man sich angewöhnt hat, sie als historisch und sortiert zu betrachten, konkretere Kontur zu geben. Borges' Satz ,Die bloße Möglichkeit für ein Buch ist hinreichend für sein Dasein' schien mir zu dürftig. Ich hatte Sehnsucht nach den Wünschen, dem Hunger, dem Beharren, dem Schmerz, den Fehlern, den Gedanken und Sätzen derer, über die ein Staat entschieden hatte, dass sie ohne öffentliche Stimme bleiben sollten."

Ines Geipel, Januar 2009


Zwei Zitate aus dem Vorwort von "Zensiert, verschwiegen, vergessen. Autorinnen in Ostdeutschland 1945 - 1989"

Es ist der 3. Oktober 1947. Wir befinden uns bei Ricarda Huch in Jena, im Oberen Philosophenweg 72. Im Flur etliches Gepäck. Sie nimmt Abschied von der Stadt, in der sie seit dem 1. September 1933 lebte. Dieses Haus war ihr Wunschrefugium mit Garten. Es gab ihr Halt "in einer Zeit, die aus Hitler, Not, Bomben, Chaos bestand". Sie fühlte sich hier heimisch, traf sich wöchentlich mit Freunden, redete mit ihnen über Politik, Kochrezepte, Kunst und Liebhabereien. Unter ihnen befanden sich zum Beispiel die Juristen Heinrich Gerland und Hermann Schultze von Lasaulx, der Betriebswirtschaftler Ernst Pape, der Altphilologe Friedrich Zucker, Rektor der Universität, der Soziologe Franz Jerusalem und der Theologe Gerhard von Rad.

Tägliche Spaziergänge, regelmäßige Bibliothekszeiten, Anstehen auf dem Wochenmarkt, ihr Garten, die Nachmittage mit Enkel Alexander und das Schreiben in der "Baracke", dem einzigen beheizbaren Raum im Haus. Das war ihre Jenaer Zeit.

Ihr Schwiegersohn Franz Böhm unterrichtete an der juristischen Fakultät der Uni. Anfang 1938 wurden die beiden wegen Volksverhetzung angeklagt. Sie wurden zwar nicht verurteilt, jedoch durfte Böhm ab März '38 nicht mehr lehren und für Ricarda Huch gab es immer mehr Schwierigkeiten, ihre Werke zu publizieren.

Eigentlich wollte Ricarda Huch an ihrer Autobiografie arbeiten, doch drei Jahre dauerte das sogenannte "Heimtücke"-Verfahren ("ein 1934 erlassenes Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform") an. Zudem war Krieg. Weihnachten 1943 schreibt sie: "Man hofft eben gar nichts mehr, fürchtet nur noch." Im Großen und Ganzen kam ihre Familie "mit grauen, blauen und braunen Augen" durch diese Zeit.

Am 18. Juli 1944 feierte sie noch ihren 80. Geburtstag in Jena. Und sie feierte nach dem Motto: "Es ist wie in Pestzeiten - am Rande des Abgrunds sind die Feste am lautesten." Ein Glückwunschtelegramm kam von Hitler; eine dicke Aufmachung vom "Völkischen Beobachter". Es gab eine offizielle Festschrift. Und sie bekam im Namen von Goebbels und der Heimatstadt Braunschweig den mit 30.000 Mark dotierten Wilhelm-Raabe-Preis. Schon 1933 hätten die neuen Machthaber sie gerne auf ihrer Seite gehabt. In ihrem Dankesschreiben vermied sie die Anrede "Mein Führer" und den Gruß "Heil Hitler". Das Geld nahm sie aus der Not heraus: "Ich empfinde es als einen Flecken auf der Ehre, den ich nicht auslöschen kann."

Als der Krieg zu Ende war, war sie seelisch und körperlich einfach nur erschöpft, sie wog keine 50 Kilo mehr. Aber sie hatte geschafft, was sie sich 1933 als Ziel setzte: Sie wollte Hitler überleben. Thüringen wurde nach Kriegsende in die Sowjetische Besatzungszone eingegliedert. Ihr Ruf als "Königin der inneren Emigration" war bei den sowjetischen Kulturoffizieren über jeden Zweifel erhaben. Die neue Macht wollte sie als politische Stimme des Aufbruchs. Und sie genoss fortan ihre fast kultische Verehrung und war in den verschiedensten Gremien tätig.

"Ich bin jetzt prominent, und das ist sehr zeitraubend. Ich bekomme fortwährend offizielle Besuche und offizielle Briefe, soll für die Studenten, oder für die Frauen, oder für die Wähler, oder für die Evakuierten ermunternde Aufrufe verfassen, tue es zwar nicht, muss aber erklären, warum ich es nicht tue."


Und doch tat sie es. "Für die Märtyrer der Freiheit" erschien am 25. Mai 1946 in den "Hessischen Nachrichten". Sie wollte Biografien schreiben, "Lebensbilder dieser für uns Gestorbenen aufzeichnen und in einem Gedenkbuch sammeln". Das brachte ihr Denunziationen bis hin zu Todesdrohungen, die sie aus Ost und West bekam. "'Sie wollen nun Mörder verherrlichen, Helden in den Schmutz ziehen, Mord ist Mord', schrieb man ihr."

Eineinhalb Jahre war sie gut dafür, vom kulturellen Neuanfang, demokratischem Aufbruch und dem einigen Deutschland zu plädieren. Doch spätestens ab Mitte 1946 drehte sich das Blatt. Sie wurde mehr und mehr zensiert, Ausreisegenehmigungen, die schon zugesagt wurden, wurden wieder zurückgenommen. Sie hörte von der Verschleppung unschuldiger junger Menschen und verglich die Zeit mit den vergangenen zwölf Jahren.

Eigentlich wollte sie nicht weg von Jena. Hier war ihr Publikum, ihre Freunde und Mitstreiter. Doch es ging für sie nicht anders. Es fügte sich, dass sie von Johannes R. Becher, damals Kulturbund-Chef, eine Einladung auf den Ersten Deutschen Schriftstellerkongress bekam. Der fand vom 4. bis 8. Oktober 1947 statt. Sie sollte für ihn die Ehrenpräsidentschaft übernehmen. Auf diesem Weg wollte sie dann in einem verplombten, englischen Militärzug in den Westen gelangen.


Ja, das Buch ist absolut interessant, aber es ist auch wieder eines der Bücher, die mich so unwahrscheinlich wütend machen und mir auch die Tränen in die Augen treiben. Und diesmal hat es nichts damit zu tun, dass ich nah am Wasser gebaut bin.

Ich verteufel nicht meine Kindheit und Jugend in der DDR. Und ich hasse es, wenn mir, wenn ich Positives aus meinem DDR-Leben erzähle, Ostalgie vorgeworfen wird. Ich komme aber absolut nicht mit den vielen Menschen (selbst in meinem Internet-Umfeld, die ich hier schon Jahre kenne) zurecht, die diesem System immer noch nachtrauern. Die Honecker und Konsorten noch feiern.

Das Folgende trau ich mich kaum zu schreiben, aber ihr kennt mich. Ihr wisst, dass ich viel "Gegen das Vergessen" gelesen und geschrieben habe. Ich rede den Nationalsozialismus absolut nicht klein, und der Holocaust war das schlimmste Verbrechen, das ich mir vorstellen kann.

Was aber das Foltern anbelangt, ging es in der DDR nahtlos weiter. Hier, in diesem Buch, finde ich schon auf den ersten 50 Seiten Beispiele dafür.

Zehntausende wurden beim Aufstand zu Beginn der 1950er-Jahre unter den erbärmlichsten Bedingungen inhaftiert. In den Frauengefängnissen arbeiteten sadistische Wärterinnen.

Die Dichterin Edeltraud Eckert starb mit 25 Jahren (als 20-Jährige wurde sie verhaftet) an der Folge eines Arbeitsunfalles im berüchtigten Gefängnis Hoheneck. Sie arbeitete an einer Maschine, in der sich ihre Haare verfingen. Diese und ein Teil ihrer Kopfhaut wurden abgerissen. Das Hautstück hätte sofort desinfiziert werden müssen, was nicht geschah, weil die Aufseherin, die den Schlüssel für den Schrank hatte, nicht anwesend war. Ansonsten traute sich niemand, diesen Schrank zu öffnen.

Sie erhielt keine Beerdigung. Die Behörden äscherten ihren Leichnam ein und setzten sie in einem geheim gehaltenen Massengrab bei. Alles, was die Familie von ihr bekam, waren das Schreibheft mit ihren Gedichten und ein paar persönliche Besitztümer.
Ich empfehle "Jahr ohne Frühling - Gedichte und Briefe", herausgegeben von Ines Geipel und Joachim Walther bei der Büchergilde in der Reihe "Die Verschwiegene Bibliothek".


"Die Nachkriegszeit in ihrer Fragwürdigkeit macht so kaputt. Wir haben uns alle so sehr auf das Kriegsende und den Sieg der Freiheit gefreut. Wir haben uns seelisch nicht richtig vorbereitet... Es ist sehr sonderbar und tragisch, wie im heutigen Deutschland die Antifaschisten am meisten leiden. Während die Nazis und Mitläufer wieder munter umherplätschern - es sind eben die Menschen, denen es so leicht fällt, sich zu akklimatisieren."

Susanne Kerckhoff


Geschrieben wurde noch über die ostdeutschen Speziallager. Sie wurden direkt nach Kriegsende errichtet. In den elf Speziallagern, die "nicht selten auf dem Gelände ehemaliger Konzentrationslager" errichtet wurden, saßen bis Ende 1948 gut 150.000 Häftlinge ein. Verbrecher, NSDAP-Funktionäre, Zivilisten. Aber auch sehr viele Opfer von Denunziationen. Erst hieß es, diese Einrichtungen dienten der Entnazifizierung. Doch schnell wurden sie zum Instrument der neuen Diktatur. Klassenfeinde sollten isoliert werden, Widerstand - ob tatsächlicher oder erdachter - sollte gebrochen werden, bürgerliche Eliten sollten ausgeschalten werden. Durch Hunger, widerwärtige hygienische Bedingungen und Epidemien war die Todesrate sehr hoch. 42.889 Häftlinge starben. 25.000 deportierte man in sowjetische Gulags. "Insgesamt ein Drittel - oft ,nominelle' Nazis - entließ man im Laufe der Zeit. Die kritischen Stimmen der SBZ-Politik blieb in Gewahrsam. Im Herbst 1948 wurden die 28.000 verbliebenen NKWD-Häftlinge auf die großen Internierungslager Bautzen, Sachsenhausen und Buchenwald konzentriert. Als im Februar 1950 auch diese geschlossen wurden, kam die Hälfte der Insassen frei. Die restlichen 14.000 Häftlinge wurden auf die Gefängnisse der DDR verteilt."


Ich empfehle das Buch von Herzen, obwohl es wirklich nicht leicht zu lesen ist.

 

Clara Viebig: Das Weiberdorf

Buchinfo

Die Ereignisse des Romans spielen sich in einem Dorf in Eiffel ab. In den 1970er Jahren, in der Zeit der Industrialisierung, sind Männer in großem Umfang in Fabriken beschäftigt. Sie sind wenig zu Hause, nur zweimal im Jahr. Die meiste Zeit des Jahres ist dieser Ort ein Dorf der Frauen, in der sich ein eigenes Leben abspielt.


Buchbeginn

Trapp, trapp - hart klingen die Schritte auf der steinigen Landstraße. Männer, ein ganzer Trupp! Und nun noch ein Trupp und etwas weiter zurück kommt noch ein dritter. Männer mit Schweiß auf den Stirnen, mit Staub auf den Stiefeln, mit der ganzen Glut des frühen Sommers und des hastigen Wanderns auf den geröteten Gesichtern. Jeder trägt sein Bündel am Stecken über der Schulter, paarweise schleppen sie auch ein Köfferchen; alle haben sie die Taschen der städtischen Sonntagsröcke vollgestopft zum Platzen.

 

Dienstag, 29. Juli 2025

Ines Geipel

Foto: Ines Geipel
Lizenz: CC BY-SA 3.0
Wikipedia

Geschrieben von Sabine Neuhauß
 

Ines Geipel wurde am 7. Juli 1960 in Dresden geboren und wuchs im Stadtteil Weißer Hirsch auf. Ihr Vater Lothar (1934–2012) hatte eine Lehre bei den Klingenthaler Harmonikawerken absolviert und dann Musik studiert. Er war Chorleiter, später Musiklehrer, 1967 Direktor einer Polytechnischen Oberschule und schließlich ab 1972 Direktor des Dresdner Pionierpalasts „Walter Ulbricht“. Von 1973 bis 1984 war er zudem Inoffizieller Mitarbeiter in der Abteilung IV des Ministeriums für Staatssicherheit. Hierbei handelte es sich um eine Spezialeinheit für das Ausspähen von Objekten und die Vorbereitung von Sabotage auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Er fuhr regelmäßig mit falschen Pässen in die Bundesrepublik. Dies erfuhr Ines Geipel erst nach der Wende aus den Akten der Staatssicherheit. Die Mutter Brigitte Grunert (* 1935) hatte eine Lehre als Schriftsetzerin gemacht, studierte später Russisch und arbeitete als Lehrerin am Institut für Weiterbildung in Dresden. Ines Geipel hat drei Geschwister.

Mit 14 Jahren kam sie auf das Internat in Wickersdorf, eine Spezialschule zur Vorbereitung auf die Ausbildung als Russischlehrer/in. Dort begann sie zu laufen, nahm an Kinder- und Jugendspartakiaden teil und begann als 17-Jährige beim SC Motor Jena mit dem Leistungssport. Ab 1980 war sie an der Universität in Jena für Germanistik eingeschrieben, widmete sich aber zunächst mehr dem Sport als dem Studium. Von 1982 bis 1984 war sie mit dem Kugelstoßer Matthias Schmidt verheiratet und trat daher unter dem Namen Ines Schmidt auf. Außerdem war sie SED-Mitglied. 

In den 1980er Jahren erzielte Geipel sportliche Erfolge, unter anderem im 100-Meter-Lauf mit einer persönlichen Bestzeit von 11,21 Sekunden und im Weitsprung mit 6,98 Metern. Sie war 1984 die siebtbeste Läuferin der DDR. Zu den wirklichen Größen gehörte sie allerdings nicht, bei internationalen Wettkämpfen wie Europa- und Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen war sie nie am Start. Im Jahr 1984 stellte sie in der Staffel des SC Motor Jena in Erfurt mit 42,20 Sek. einen Vereinsweltrekord über 4 x 100 Meter auf. Gegen den Willen ihrer Teamkolleginnen Bärbel Wöckel, Ingrid Auerswald und Marlies Göhr focht sie später als Doping-Gegnerin diesen Rekord an und wurde auf ihren Antrag hin im Mai 2006 vom Deutschen Leichtathletik-Verband aus der Rekordliste gestrichen. Ein Vereinsweltrekord entspricht nicht einem Weltrekord, bei dem Staffelteilnehmer:innen in der Regel nicht demselben Verein angehören. In Bezug auf Ines Geipel ist das in Medienberichten tatsächlich nicht immer im erforderlichen Maße klargestellt worden. Alle genannten Staffelläuferinnen erhielten von ihrem Sprinttrainer das anabole Steroid Oral Turinabol, jedenfalls in den Jahren 1983 und 1984. Ines Geipel selbst bezeichnete dies später als „Zwangsdoping“. 

Ihre sportliche Karriere endete 1985. Zu den Gründen gibt es diverse sehr unterschiedliche Angaben, die schwerlich nachprüfbar sind. So heißt es bei Munzinger, „laut eigenem Bekunden waren ihr Ausstieg aus dem Zwangsdoping und ihre zunehmende Ablehnung des DDR-Regimes Gründe für den Abbruch ihrer sportlichen Karriere…“ Auf ihrer eigenen Webseite ist zu lesen „Im Zusammenhang mit einem geplanten Fluchtversuch 1985 fiel sie politisch in Ungnade, musste den Sport beenden,…“ Laut Wikipedia hatte sie die Absicht, nach den Olympischen Sommerspielen 1984 in Los Angeles im Westen zu bleiben, weil sie sich in einen mexikanischen Sportler verliebt hatte. An den Olympischen Spielen nahm die DDR aber gar nicht teil. Dies habe sie einem Freund erzählt, der IM der Staatssicherheit gewesen sei. Die Staatssicherheit sei tätig geworden, um sie aus dem „Leistungssport herauszulösen“. Bei einer Blinddarmoperation sei ihr im Auftrag der Stasi die Bauchmuskulatur beschädigt worden, heißt es in der FAZ; im SPIEGEL wird darauf hingewiesen, dass es keinerlei Beweise dafür gebe. 

Daher kann eigentlich nur festgehalten werden, dass ihre Stasi-Akte der Öffentlichkeit und der Forschung entzogen ist und daher eine Prüfung nicht erfolgen kann. Ines Geipel nimmt 1985 zum letzten Mal an den DDR-Leichtathletikmeisterschaften teil und wird als „verdienstvolle Leichtathletin“ offiziell verabschiedet. 

Das Studium der Germanistik in Jena setzte sie dann fort, ihre Diplomarbeit datiert wohl aus dem Jahr 1989. Im selben Jahr protestierte sie gegen die Niederschlagung des Studentenprotestes in Peking mit der Aufhängung eines Plakates. Da Ines Geipel Mitglied der SED war, drängte die Universitätsparteileitung auf ein Parteiverfahren gegen sie und ließ davon auch nicht ab, als die Mitgliederversammlung der Sektion dagegen stimmte. 

Ende August 1989 flüchtete sie über Ungarn aus der DDR und ging nach Darmstadt. Dort absolvierte sie an der Technischen Universität ein Magisterstudium der Philosophie und Soziologie. Ab 1994 erhielt sie Lehraufträge für Philosophie und Literaturwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, der Technischen Universität Darmstadt und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Zudem war sie Mitarbeiterin des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Ines Geipel gehörte zu den ersten Teilnehmern der Darmstädter Textwerkstatt, die 1998 eröffnet wurde. Seit 2001 lehrt sie in Berlin an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch als Professorin für Deutsche Verssprache.

Schriftstellerisch ist Ines Geipel seit 1996 tätig. Sie begann mit der Herausgabe von Gedichten von Inge Müller, der früh verstorbenen Ehefrau des Dramatikers Heiner Müller, über die sie auch eine im Jahr 2002 erschienene Biografie „Dann fiel auf einmal der Himmel um“ verfasste. In diversen Werken setzte sie sich mit dem Doping in der DDR auseinander. Sie schrieb über den Amoklauf in Erfurt (Für heute reicht's. Amok in Erfurt) und über den an Depression erkrankten Torwart Robert Enke (Seelenriss. Depression und Leistungsdruck). Der 2009 publizierte Band "Zensiert, verschwiegen, vergessen" ist zwölf zu DDR-Zeiten nicht publizierten Autorinnen gewidmet. In "Tochter des Diktators" (2017) erzählte sie die Geschichte von Beate, der Adoptivtochter von Lotte und Walter Ulbricht. Um ihre eigene Familiengeschichte geht es in dem Buch "Umkämpfte Zone. Mein Bruder, der Osten und der Hass" (2019). 

Neben diversen weiteren Werken steht ein umfangreiches gesellschaftliches Engagement. Das Thema „Doping in der DDR“ brachte sie massiv in die Öffentlichkeit. Dazu trat sie auch im Jahr 2000 als Nebenklägerin im Berliner Prozess um das DDR-Doping auf, in dem der einstige DDR-Sportchef Manfred Ewald und ein Sportmediziner wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Körperverletzung in mehr als 120 Fällen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurden. "Verlorene Spiele" lautet der Titel ihres 2001 publizierten Buches, in dem sie die Geschichten jener Sportler aufzeichnete, die durch Doping gesundheitliche Schäden erlitten. Dieses "Journal eines Doping-Prozesses" trug dazu bei, dass der Deutsche Bundestag noch im selben Jahr einen Zwei-Millionen-Euro-Fonds für die Entschädigung betroffener DDR-Sportlerinnen und -Sportler einrichtete. 2013 wurde Ines Geipel zur Vorsitzenden des Dopingopfer-Hilfe-Vereins (DOH) gewählt und setzte sich in diesem Amt weiter für eine Entschädigung gedopter Sportlerinnen und Sportler ein. Sie hat selbst Entschädigungszahlungen erhalten. Die Sichtweise auf gedopte Athletinnen und Athleten ist dabei durchaus kontrovers und Ines Geipel in der Kritik. Viele der betroffenen Sportlerinnen und Sportler waren bei der Einnahme der Dopingmittel bereits erwachsen und wussten, dass es sich um illegale leistungssteigernde Mittel handelte. Die ihnen zugewiesene ausschließliche Opferrolle stößt auf Widerspruch. 

Im Rahmen dieser Kontroverse verstritt Ines Geipel sich auch mit früheren Weggefährten. So klagte sie ab 2018 gegen den früheren DDR-Skilanglauftrainer Henner Misersky wegen Rufschädigung. Henner Misersky war ein Trainer, der sich dem Doping offen verweigert hatte. Nach seiner Weigerung, den von ihm trainierten Langläuferinnen (darunter seine Tochter Antje) männliche Hormone als Dopingmittel zu verabreichen, wurde er 1985 fristlos als Trainer entlassen. 

Hintergrund der Unterlassungsklage war der Umstand, dass Misersky mehrfach öffentlich in Zweifel gezogen hatte, dass Ines Geipel Opfer des staatlichen Doping-Systems in der DDR gewesen sei; er hatte sich kritisch zu Veröffentlichungen und Falschangaben im Zusammenhang mit sportlichen Leistungen und Falschangaben zu einer vermeintlichen Opferbiografie geäußert. Strittig sei auch, wie sie einen der wenigen Studienplätze für Germanistik an der Uni Jena ergattert habe. Misersky war der Überzeugung, „auch aus eigener Erfahrung, dass man als Trainer, Arzt, als erwachsener Athlet, definitiv Nein zum Doping in der DDR sagen konnte“. Er sah bei der Mehrzahl von ehemaligen erwachsenen DDR-Reisekader-Sportlern eine Mitverantwortung und auch bei Ines Geipel selbst starke Anhaltspunkte für selbstbestimmtes, wissentlich praktiziertes Doping. Im März 2020 und letztinstanzlich im November 2021 wiesen das Berliner Landgericht und folgend das Kammergericht die Unterlassungsklage ab. Miserskys Aussagen wurden als zulässige Meinungsäußerungen eingestuft, die Ines Geipel nicht in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzten. 

Zusammen mit ihrem Schriftstellerkollegen Joachim Walther und seit 2001 auch mit Förderung durch die Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur richtete Ines Geipel das "Archiv unterdrückter Literatur in der DDR" ein. Es enthält Vor- und Nachlässe von Autoren, deren Texte zu DDR-Zeiten geschrieben und nicht veröffentlicht wurden. Daraus entstand die zehnbändige "Verschwiegene Bibliothek", als deren Mitherausgeberin sie fungierte. Für diese Verdienste wurden Ines Geipel und Joachim Walther 2010 mit dem Antiquaria-Preis für Buchkultur ausgezeichnet.

Zu Geipels Ehrungen zählen das Bundesverdienstkreuz (2011), der Antiquaria-Preis, der DJK-Ethik-Preis, Goldenes Band der Sportpresse (2017), Karl-Wilhelm‑Fricke-Preis (2019), Lessing‑Preis für Kritik (2020), Marieluise‑Fleißer‑Preis (2021) und Erich‑Loest‑Preis (2023). 


Quellen: 

taz

Wikipedia 

Munzinger.de

Berliner Zeitung

Spiegel.de 

Ines Geipel  


Zu den Büchern

Samstag, 26. Juli 2025

Anne Meredith - die Bücher

 Das Geheimnis der Grays (1933)

Anne Meredith: Das Geheimnis der Grays

Deutsch von Barbara Heller
Mit einem Nachwort von Martin Edwards
Klett-Cotta, 2018
Aus der Reihe "British Library Crime Classics)


Buchinfo

England 1931. Jedes Jahr im Dezember lädt das ebenso greise wie geizige Familienoberhaupt Adrian Gray die gesamte Verwandtschaft samt Anhang in sein abgelegenes Landhaus King's Poplars ein. Und alle kommen, weil sie auf sein Geld aus sind, obwohl fast jeder einen Grund hat, ihn zu hassen. 

An Heiligabend versammelt sich die Familie wie gewohnt, nur das am nächsten Morgen Gray ermordet aufgefunden wird. Hat sich eines seiner sechs Kinder seinen Weihnachtswunsch selbst erfüllt?


Buchbeginn

Adrian Gray wurde im Mai 1862 geboren und starb Weihnachten 1931 eines gewaltsamen Todes durch die Hand eines seiner eigenen Kinder. Das Verbrechen geschah aus dem Augenblick heraus, ohne Vorsatz, und der Mörder, noch nicht beunruhigt, geschweige denn verängstigt, stand nur stumm da, starrte ungläubig die Waffe auf dem Tisch an und sah dann zu dem Toten hin, der im Halbdunkel am Fuß der schweren Vorhänge lag.

 

Natalia Ginzburg - die Bücher

 La strada che va in città (1942; Die Straße in die Stadt 1997)

È stato così (1947; So ist es gewesen 1992)

Tutti i nostri ieri (1952; All unsre Gestern 1969)

Valentino (Erzählungen, 1957; dt. 1960)

Sagittario (1957; Schütze 1994)

Le voci della sera (Roman, 1961; Die Stimmen des Abends 1964)

Le piccole virtù (1962; Die kleinen Tugenden 2016)

Lessico famigliare (autobiographisches Werk, 1963; Mein Familien-Lexikon 1965)

L'inserzione (Drama, 1968)

Mai devi domandarmi (Essays, 1970; Nie sollst du mich befragen 1991)

Caro Michele (Roman, 1973; dt. 1974)

Vita immaginaria (1974; Das imaginäre Leben 1995)

La famiglia Manzoni (1983; Die Familie Manzoni 1988)

La città e la casa (1984; Die Stadt und das Haus 1986)

Natalia Ginzburg: Alle unsere Gestern

Von Maja Pflug durchgesehene Übersetzung aus dem Italienischen
Klaus Wagenbach Verlag, 2025


Buchinfo

Niemand vermag so scheinbar unbeteiligt und hellsichtig den Beziehungen zwischen Menschen nachzugehen wie Natalia Ginzburg: in der Familie, zwischen Mann und Frau, zu Freunden – und so beinahe weise eine Erzählung hinter der Geschichte auszubreiten: Keiner nimmt Anna, die Jüngste der Familie, ernst: weder die beiden älteren Brüder, die sich mit Freunden im Wohnzimmer einschließen, um zu diskutieren, noch die Schwester Concettina, die vor allem ihre zahlreichen Verlobten im Kopf hat. Auch Signora Maria, die Haushälterin mit den winzigen Schleifenschühchen, kümmert sich mehr um die Rosen als um das Mädchen. Nur der ein bisschen großmäulige Nachbarjunge Giuma gibt sich mit Anna ab. Sie gehen miteinander spazieren, dann ins ,Pariser Café' und später in die Büsche am Fluss. Als einer der Freunde verhaftet wird, müssen die Broschüren gegen Mussolini eilig im Kamin verbrannt werden. Italien tritt in den Krieg ein, der älteste Bruder, ein überzeugter Pazifist, soll eingezogen werden. Concettina verliebt sich in ein Schwarzhemd – und Anna wird schwanger. Natalia Ginzburg erzählt von den kleinen wie großen Ereignissen genau und fast beiläufig: Was, wenn es keinen Stoff für Kleider gibt, und was, wenn man einen Juden in der Familie hat? Bereits hier hat sie den unnachahmlichen Ton des "Familienlexikon" gefunden.


Buchbeginn

Das Porträt der Mutter hing im Esszimmer: eine sitzende Frau mit einem Federhut und einem langen, müden und verängstigten Gesicht. Sie war immer von schwacher Gesundheit gewesen, litt unter Schwindel und Herzklopfen, und vier Kinder waren zu viel für sie. Kurz nach Annas Geburt war sie gestorben.

Jean Webster - die Bücher

Patty auf dem Vassar College (1903)

Wheat Princess (1905)

Jerry Junior (1907)

Four-Pools Mystery (1908)

Much Ado About Peter (1909)

Just Patty (1911)

Patty auf St. Ursula's. Deutsch von Nadine Erler. Verlag 28 Eichen, Barnstorf 2023. ISBN 978-3-96027-134-5

Daddy Langbein (1912)

Lieber Feind (1915)


Jean Webster: Lieber Feind

Buchinfo

Ein Waisenhaus leiten? Sally McBride erklärt ihre beste Freundin Judy für komplett verrückt, als diese ihr die Leitung des John-Grier-Heims übertragen will. Hätte ihr Verlobter nicht schallend gelacht und damit ihren Ehrgeiz geweckt, Sally hätte niemals eingewilligt.

Plötzlich einhundert Kinder zu haben, ist keine leichte Aufgabe! Und die Zustände im Heim sind haarsträubend. Mit Verve geht Sally an die Arbeit, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch dabei macht sie sich nicht nur Freunde. Ihr liebster Feind allerdings ist und bleibt der betreuende Kinderarzt Dr. Robin MacRae.

Mit "Lieber Feind" knüpft Jean Webster an "Lieber Daddy-Long-Legs" an. Im Unterschied zu den Briefen von Judy an Daddy-Long-Legs, schreibt Sally an mehrere Adressaten, auch an Judy, so dass wir so auch erfahren, wie deren Geschichte weitergeht. Geistreich, anrührend und voller Charme, sollte man sich auch diesen wunderbaren Briefroman nicht entgehen lassen!


Leseprobe

Liebe Judy,

Dein Brief ist angekommen. Ich habe ihn zweimal mit großer Verwunderung gelesen. Verstehe ich das richtig, dass Jervis Dir zu Weihnachten die Umwandlung des John-Grier-Heims in eine moderne Anstalt schenkt und dass Ihr mich erwählt habt, die Verwendung des Geldes zu verwalten? Ich - ich, Sallie McBride, als Leiterin eines Waisenhauses! Ihr armen Menschen, habt Ihr ganz und gar den Verstand verloren? Oder seid Ihr opiumsüchtig geworden, und dies sind die wuchernden Auswüchse fiebrig berauschter Fantasie? Ich bin genauso geeignet, mich um einhundert Kinder zu kümmern, wie einen Zoo zu leiten.

Jean Webster: Lieber Dadedy-Long-Legs

Übersetzt von Ingo Herzke
Mit Illustrationen von Franz Renger
Königskinder, 2017


Buchinfo

Fast 18 Jahre hat Judy Abbott im Waisenhaus gelebt. Wegen ihrer literarischen Begabung wird sie nun von einem geheimnisvollen Wohltäter aufs College geschickt. Der Mann möchte namenlos bleiben, Judy soll ihm aber jeden Monat einen Brief über ihre Fortschritte schreiben. Voller Begeisterung stürzt sich Judy in dieses unbekannte Leben. Mehr als einmal im Monat schreibt sie „Mr Smith“, denn sie hat ja sonst niemanden auf der Welt, mit dem sie ihre Erlebnisse teilen kann. Briefe voller Witz, über Hüte und Literatur, über neue Freundschaften und immer öfter auch über den sympathischen Jervis Pendleton.


Buchbeginn

"Schwarzer Mittwoch"

Der erste Mittwoch eines jeden Monats war ein ganz und gar grässlicher Tag - ein Tag, der furchtsam erwartet, tapfer erduldet und zügig vergessen werden wollte. Jeder Fußboden musste fleckenfrei, jeder Stuhl staubfrei, jedes Bett faltenfrei sein. Siebenundneunzig zappelig kleine Waisen mussten geschrubbt und gekämmt, in frisch gestärkte, karierte Baumwollkittel geknöpft und alle siebenundneunzig an ihre Manieren und an die Regel gemahnt werden, stets "Ja, Sir" und "Nein, Sir" zu sagen, wenn ein Treuhänder von der Stiftung sie ansprach. 

Jean Webster: Patty auf dem Vassar College

Übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Nadine Erler
Verlag 28 Eichen, 2020


Buchinfo

Vassar ist ein Elite-College im Staate New York, gegründet im Jahre 1861 als ein College für junge Damen. Es existiert heute noch, hat sich allerdings mittlerweile auch für männliche Studenten geöffnet. Jane Fonda, Anthony Bourdain, Jacqueline Kennedy Onassis und Meryl Streep gehören zu den Absolventen. Wenn es Miss Hawley gewesen wäre, könnte ich zu ihr gehen, ihr die Sache erklären und sie bitten, dich die Prüfung noch einmal machen zu lassen. Miss Hawley ist manchmal ganz menschlich. Aber Miss Prescott! Kein Wunder, daß du durchgefallen bist. Ich habe selbst Angst vor ihr. Sie ist die einzige Frau, die jemals einen Abschluß an einer deutschen Universität gemacht hat, und sie kennt keinen anderen Gedanken in der Welt als Mathematik. Ich glaube nicht, daß diese Frau eine Seele hat.


Buchbeginn

1. Peters ist empfänglich

"Briefbeschwerer", bemerkte Patty und lutschte an ihrem verletzten Daumen, "sind offenkundig nicht dafür geeignet, Reißzwecken einzuschlagen. Ich brauche einen Hammer!"
Sie bekam keine Antwort und schaute von der Trittleiter zu ihrer Stubenkameradin. Priscilla hockte auf dem Boden und zog Sofakissen und Vorhänge aus einem Karton.
"Priscilla", sagte sie, "du hast gerade nichts Sinnvolles zu tun. Geh nach unten und bitte Peters um einen Hammer!"
Priscilla erhob sich zögernd. "Ich wage zu behaupten, daß schon fünfzig Mädchen nach einem Hammer gefragt haben." 

Franziska zu Reventlow - die Bücher

 Einzelveröffentlichungen zu Lebzeiten

Ellen Olestjerne, Erstausgabe 1903

Herrn Dames Aufzeichnungen (1913)

Ellen Olestjerne. J. Marchlewski, München 1903. Zahlreiche Neuausgaben, zuletzt neu herausgegeben mit einem ausführlichen Nachwort von Arno Bammé und Thomas Steensen, Husum 2014, ISBN 978-3-89876-721-7.

Von Paul zu Pedro. Amouresken. Langen, München 1912.

Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil. Langen, München 1913.

Der Geldkomplex. Roman. Langen, München 1916.

Das Logierhaus zur Schwankenden Weltkugel und andere Novellen. Langen, München 1917.


Briefe. Hrsg. v. Else Reventlow. A. Langen, München 1928 (datiert auf 1929).

Briefe 1890–1917. Hrsg. v. Else Reventlow, mit einem Nachwort von Wolfdietrich Rasch. München 1975, ISBN 3-7844-1526-1.

Jugendbriefe. Hrsg. von Heike Gfrereis. Hatje, Stuttgart 1994, ISBN 3-7757-0507-4.

„Wir üben uns jetzt wie Esel schreien …“ Briefwechsel mit Bohdan von Suchocki 1903–1909. Hrsg. von Irene Weiser, Detlef Seydel und Jürgen Gutsch. Stutz, Passau 2004, ISBN 3-88849-205-X.

Unveröffentlichte Briefe von Franziska Gräfin zu Reventlow an Anna Petersen und an Ferdinand Tönnies. Hrsg. von Heide Hollmer und Kornelia Küchmeister. In: Nordelbingen. Band 77. Boyens, Heide 2008, ISBN 3-8042-0738-3.

An Ihnen liebe ich Alles, der Briefwechsel zwischen Franziska zu Reventlow und Michael Georg Conrad. Hrsg. Harald Beck. In: Freunde der Monacensia e. V. Jahrbuch 2021, S. 106–128.


Tagebücher 1895–1910. Hrsg. v. Else Reventlow. Langen-Müller, München 1971.

„Wir sehen uns ins Auge, das Leben und ich“, F. Gräfin zu Reventlow, Tagebücher 1895–1910. Aus dem Autograf textkritisch neu hrsg. und kommentiert von Irene Weiser und Jürgen Gutsch. Stutz, Passau 2006, ISBN 3-88849-208-4 (3. Auflage 2011).

Franziska zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen: Oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil

Buchinfo

Franziska zu Reventlows Schlüsselroman über die Schwabinger Szene - eine der Keimzellen der deutschen Avantgarden ist alles, was gute Literatur sein kann: kurz, komisch, ein Dokument, ein Versuch das Leben - und was für eines hatte diese Frau geführt -durch Sprache irgendwie in den Griff zu bekommen. Reventlow beschreibt naiv-ironisch die Kleinkriege und Capricen der Münchener Bohemiens, Dandys, Spätaufsteher, Spinner, Esoteriker und sonstiger verschrobener und doch wunderbarer Gestalten, die München vor dem großen Zusammenbruch zu einem Zentrum der deutschen Kultur gemacht haben.


Buchbeginn

Verehrter Freund und Gönner!

Sie wissen ja - Sie wissen genug darüber, wer "Wir" sind - womit wir uns unterhalten, und mit welchem Inhalt wie die uns zugemessenen Erdentage zu erfüllen suchen. Sie wissen auch, wie wir das Dasein je nachdem als ernste und schwerwiegende Sache - als heiteren Zeitvertreib, als absoluten Stumpfsinn oder auch als recht schlechten Scherz hinzunehmen, aufzufassen und zu gestalten pflegen.

 

Brigitte Schwaiger - die Bücher

Wie kommt das Salz ins Meer. [Roman]. Zsolnay, Wien/Hamburg 1977, ISBN 3-552-02907-9; Rowohlt, Reinbek 1979, ISBN 3-499-14324-0; Czernin, Wien 2007, ISBN 978-3-7076-0226-5; als Hörbuch – gelesen von Julia von Sell: Langen Müller, München 2000, ISBN 3-7844-5028-8 (MC); 2004, ISBN 978-3-7844-4060-6. (3 CD)

Lange Abwesenheit. [Roman]. Paul Zsolnay Verlag Wien/Hamburg 1980, ISBN 3-552-03213-4

Mein spanisches Dorf. Zsolnay, Wien/Hamburg 1978, ISBN 3-552-03031-X; Rowohlt, Reinbek 1982, ISBN 3-499-14950-8.

Malstunde. (mit Arnulf Rainer). Zsolnay, Wien/Hamburg 1980, ISBN 3-552-03235-5; Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-499-15361-0.

Die Galizianerin. [Bearbeitung der Kriegserinnerungen von Eva Deutsch]. Zsolnay, Wien/Hamburg 1982, ISBN 3-552-03433-1; Rowohlt, Reinbek 1984, ISBN 3-499-15461-7; In: Die Frau in der Literatur. Ullstein Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-548-30322-6.

Der Himmel ist süß. Eine Beichte (1984)

Mit einem möcht’ ich leben. [Gedichte]. Heyne Verlag, München 1987, ISBN 3-453-00126-5.

Liebesversuche. Kleine Dramen aus dem österreichischen Alltag. Langen Müller, München 1989, ISBN 3-7844-2239-X; Rowohlt, Reinbek 1991, ISBN 3-499-12783-0; Ullstein, Frankfurt am Main/Berlin 1994, ISBN 3-548-30318-8.

Schönes Licht. [Roman]. Langen Müller, München 1990, ISBN 3-7844-2295-0; Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-12983-3; Ullstein, Berlin 1997, ISBN 3-548-24016-X.

Tränen beleben den Staub. [Roman]. Langen Müller, München 1991, ISBN 3-7844-2321-3; Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-13194-3.

Der rote Faden. Langen Müller, München 1992; Rowohlt, Reinbek 1995, ISBN 3-499-13350-4.

Der Mann fürs Leben. [Erzählungen]. Langen Müller, München 1993; Rowohlt, Reinbek 1996, ISBN 3-499-14324-0.

Jaro heißt Frühling. Geschichten vom Fremdsein. Langen Müller, München 1994; Rowohlt, Reinbek 1997, ISBN 3-499-13614-7.

Ein langer Urlaub. Roman. Langen Müller, München 1996, ISBN 3-7844-2579-8; BLT, Bergisch Gladbach 1999, ISBN 3-404-92013-9.

Ich suchte das Leben und fand nur dich. [Autobiographie 1968–1971]. Langen Müller, München 2000. ISBN 3-7844-2768-5.

Fallen lassen. Czernin, Wien 2006, ISBN 978-3-7076-0082-7. (Eine Beschreibung eigener Erfahrungen in der Psychiatrie)

Wenn Gott tot ist. Czernin, Wien 2012, ISBN 978-3-7076-0424-5. (Memoiren)

Brigitte Schwaiger: Der Himmel ist süß

Buchinfo

Vormittags ein Klosterkind, nachmittags ein Gassenkind... Aus kindlicher Perspektive, von der Autorin streng, manchmal maliziös kontrastierend geordnet, erzählt das Mädchen Gitti Lust und Last einer katholischen Kindheit. In kurzen, prägnanten Sätzen mit wörtlicher Rede zeigt die Autorin mit dem unverstellten Phantasie- und Spieltrieb des Kindes eine elementare Lust am Heiligen, die Last der frühen Verantwortung, der Verbote, der Seele, der Sünde. Indem sie sich im Gespräch mit Eltern, Freunden, den Nonnen ihrer Schule einen Reim aus den vielfältigen Erscheinungen oberösterreichischer Volksfrömmigkeit zu machen müht, wächst sie über sie hinaus. Das zu Wahrhaftigkeit aufgelegte Kind spürt die Anstrengung, übernommene Lehre und eigene Erfahrung in Einklang zu bringen. 

 

Anna Seghers: Transit

Buchinfo

Menschen auf der Flucht. Marseille im Sommer 1940: Am Rande Europas versammeln sich die von den Nazis Verfolgten und Bedrohten. Sie hetzen nach Visa, Bescheinigungen und Stempeln, um nach Übersee ins rettende Exil zu entkommen. Im Chaos der Stadt, in den Cafés, auf dem Gang von Behörde zu Behörde kreuzen sich ihre Wege – und für kurze Zeit sind fremde Leben durch Hoffnungen, Träume und Leidenschaften miteinander verbunden. 

",Transit' gehört zu den Büchern, die in mein Leben eingreifen, an denen mein Leben weiterschreibt, so dass ich sie alle paar Jahre zur Hand nehmen muss, um zu sehen, was inzwischen mit mir und mit ihnen passiert ist." Christa Wolf


Buchbeginn

Die "Montreal" soll untergegangen sein zwischen Dakar und Martinique. Auf eine Mine gelaufen. Die Schiffahrtsgesellschaft gibt keine Auskunft. Vielleicht ist auch alles nur ein Gerücht. Verglichen mit den Schicksalen anderer Schiffe, die mit ihrer Last von Flüchtlingen durch alle Meere gejagt wurden und nie von Häfen aufgenommen, die man eher auf hoher See verbrennen ließ, als die Anker werfen zu lassen, nur weil die Papiere der Passagiere ein paar Tage vorher abliefen, mit solchen Schiffsschicksalen verglichen ist jedoch der Untergang dieser "Montreal" in Kriegszeiten für ein Schiff ein natürlicher Tod. Wenn alles nicht wieder nur ein Gerücht ist.

Donnerstag, 24. Juli 2025

Anna Seghers - die Bücher

 Jude und Judentum im Werke Rembrandts. Dissertation 1924. Als Netty Reiling.

Aufstand der Fischer von St. Barbara (1928)

Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft und andere Erzählungen (1930)

Die Gefährten (1932)

Der Kopflohn. Roman aus einem deutschen Dorf im Spätsommer (1932)

Der Weg durch den Februar (1935)

Die Rettung (1937)

Das siebte Kreuz. Roman aus Hitler-Deutschland (1942)

Transit (1944)

Der Ausflug der toten Mädchen und andere Erzählungen (1946)

Die Rettung (1947)

Die Toten bleiben jung. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 1949, DNB 57614648X (652 S.).

Die Hochzeit von Haiti. 2 Novellen. Aufbau Verlag, Berlin 1949, DNB 831217553 (140 S.).

Die Linie. 3 Erzählungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1950, DNB 57614634X (63 S.).

Die Kinder. 3 Erzählungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1951, DNB 454638531 (61 S.).

Crisanta. Mexikanische Novelle (= Insel-Bücherei. Nr. 99/4). Insel Verlag, Leipzig 1951, DNB 454638329 (54 S.).

Der Mann und sein Name. Erzählung. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1952, DNB 454638701 (161 S.).

Frieden der Welt. Ansprachen und Aufsätze. 1947-1953. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1953, DNB 454638183 (168 S.).

Der erste Schritt. Erzählung. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1953, DNB 576146439 (128 S.).

Der Bienenstock. Ausgewählte Erzählungen in 2 Bänden. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1953, DNB 56091637X.

Enthält u. a.: Der Führerschein, Die Stoppuhr, Das Viereck.

Brot und Salz. 3 Erzählungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1958, DNB 454638310 (149 S.).

Die Entscheidung. Roman. Teil 1. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1959, DNB 454638361 (596 S.).

Die Entscheidung. Roman. Teil 2. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1961, DNB 454638396 (273 S.).

Werkausgabe: Aufbau Verlag, Berlin 2003, ISBN 978-3-351-03457-3.

Das Licht auf dem Galgen. Eine karibische Geschichte aus der Zeit der Französischen Revolution (1961)

Über Tolstoi; Über Dostojewskij. Aufbau Verlag, Ost-Berlin 1963, DNB 454638779 (121 S.).

Die Kraft der Schwachen. 9 Erzählungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1965, DNB 454638558 (181 S.).

Geschichten von heute und gestern. Illustrationen: Renate Jessel. Kinderbuchverlag, Ost-Berlin 1966, DNB 458923877 (290 S.).

Das wirkliche Blau. Eine Geschichte aus Mexiko. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1967, DNB 458924164 (106 S.).

Das Vertrauen. Roman. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1968, DNB 458924148 (454 S.).

Glauben an Irdisches. Essays aus 4 Jahrzehnten. Hrsg.: Christa Wolf. Reclam Verlag, Leipzig 1969, DNB 36462048X (398 S.).

Aufstellen eines Maschinengewehrs im Wohnzimmer der Frau Kamptschik. Erzählungen. Nachwort: Christa Wolf. Luchterhand Verlag, Neuwied/West-Berlin 1970, DNB 458923915 (164 S.).

Briefe an Leser. (Präsent zum 70. Geburtstag der Anna Seghers). Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1970, DNB 730263371 (87 S.).

Über Kunstwerk und Wirklichkeit. Akademie-Verlag, Ost-Berlin.

Teil 1: Die Tendenz in der reinen Kunst. 1970, DNB 458924105 (344 S.).

Teil 2: Erlebnis und Gestaltung. 1971, DNB 458924113 (271 S.).

Teil 3: Für den Frieden der Welt, 1971, DNB 720033136 (343 S.).

Teil 4: Ergänzungsband, 1979, DNB 205829619 (281 S.).

Überfahrt. Eine Liebesgeschichte. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1971, DNB 576146609 (175 S.).

Neuausgabe: Faber & Faber, Leipzig 2001, ISBN 978-3-932545-70-2.

Sonderbare Begegnungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1973, DNB 730330567 (147 S.).

Enthält: Sagen von Unirdischen, Der Treffpunkt, Die Reisebegegnung

Steinzeit, Wiederbegegnung. 2 Erzählungen. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1977, DNB 780037162 (122 S.).

Drei Frauen aus Haiti. Illustrationen: Günther Lück. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1980, DNB 810059762 (98 S.).

Aufsätze, Ansprachen, Essays. Teil 1: 1927-1953. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1980, DNB 810372371 (460 S.).

Aufsätze, Ansprachen, Essays. Teil 2: 1954-1979. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1980, DNB 810372398 (499 S.).

Postume Veröffentlichungen

Die Toten auf der Insel Djal. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1985, DNB 860314359 (106 S., Manuskript von 1926).

Der gerechte Richter. Eine Novelle. Aufbau Verlag, Ost-Berlin/Weimar 1990, ISBN 3-351-01787-1 (80 S., Manuskript von 1950).

Neuausgabe: Aufbau Taschenbuch, Berlin 2000, ISBN 3-7466-5178-6

Jans muß sterben. Aufbau Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-351-03499-7 (89 S., Manuskript von 1925).

Und ich brauch doch so schrecklich Freude. Hrsg.: Christiane Zehl Romero. Aufbau Verlag, Berlin 2003, ISBN 3-351-03496-2 (111 S.).

Enthält: Die Legende von der Reue des Bischofs Jehan d’Aigremont von St. Anne in Rouen. Manuskript von 1924.

Das dicht besetzte Leben. Briefe, Gespräche und Essays. Mit Christa Wolf. Hrsg.: Angela Drescher. Aufbau Taschenbuch, Berlin 2003, ISBN 3-7466-1424-4 (236 S.).

Briefe. 1924–1952. (Ich erwarte Eure Briefe wie den Besuch der besten Freunde). Hrsg.: Christiane Zehl Romero, Almut Giesecke. Aufbau Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-351-03473-3.

Briefe. 1953–1983. (Tage wie Staubsand). Hrsg.: Christiane Zehl Romero, Almut Giesecke. Aufbau Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-351-03474-0.

Die Feier. Dramenfragment. In: Sinn und Form. Nr. 6, 2014, S. 785–791 (Manuskript von 1947).[12]

Mit einer Flügeltür ins Freie fliegen. Gespräche. Mit Achim Roscher. Neues Leben, Berlin 2019, ISBN 978-3-355-01884-5 (185 S.).

Anna Seghers: Das Licht auf dem Galgen

Eine karibische Geschicht aus der Zeit der Französischen Revolution


Buchinfo

Thematisch ihren zwei Antillen-Geschichten zugehörig ("Die Hochzeit von Haiti" und "Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe"), legt Anna Seghers eine neue "karibische Geschichte" aus dem Wirkungskreis des Toussaint l'Ouverture vor, der nach der Erklärung der Menschenrechte von 1789 den Kampf um die Freiheit und Gleichheit der N* führte. Auf historischem Hintergrund weiß Anna Seghers anschaulich individuelle Konflikte darzustellen, so daß geschichtlicher Gang und menschliche Reflektionen, Bewährung und Versagen im Gebot der Stunde zu lebensvoller Einheit verschmelzen


Buchbeginn

Antoine verließ das Café, in dem er oft nachmittags etwas trank, bevor er zu seinen Schülern ging. Er wurde sofort in der Straße aufgehalten. "Sind Sie der Bürger Antoine?"
Er setzte seinen Weg fort, als hätte er nichts verstanden. Der Fremde packte ihn am Arm. "Sind Sie's oder nicht?" Antoine sagte scharf: "Lassen Sie mich in Ruhe! Was wollen Sie denn?" Er hatte in den vergangenen Jahren gründlich gelernt, wenn auch noch längst nicht ausgelernt, auf der Hut zu sein vor Narren und Dummköpfen, vor Spitzeln und Provokateuren.

Anna Seghers: Die Rettung

Leseprobe

Sie hatten drunten bei Tante Emilie gegessen. Sadovski hatte allen gefallen. Er hatte den Kindern gezeigt, wie man Messer schluckt. Er hatte mit Onkel Paul über die Textilarbeitergewerkschaft gesprochen und über Brüning und über Fußball. Er hatte der Tante Emilie Tabak geschenkt und ihr gezeigt, wie man Zigaretten dreht. "Die wird sich jetzt fünfundsiebzig Löcher in ihr Kleid brennen", sagte Katharina unterwegs, "und ich muß sie alle fünfundsiebzig stopfen."

 

Anna Seghers: Der Weg durch den Februar

Buchinfo

Anna Seghers war bereits ein Jahr lang Emigrantin im Pariser Exil, als sich im Februar 1934 die österreichischen Arbeiter:innen gegen das faschistische Dollfuß-Regime erhoben. In fünf Tagen wurde der Aufstand niedergeschlagen. Der "Februar" war eine der Generalproben des europäischen Faschismus. Zehn Wochen nach der Niederschlagung machte sich Anna Seghers auf die Suche nach den Spuren des Aufstands.

1935 erschien "Der Weg durch den Februar" im Pariser Exilverlag "Edition du Carrefour". "In diesem Buch", schreibt Seghers, "sind die österreichischen Ereignisse in Romanform gestaltet. Manche Vorgänge sind verdichtet worden; man suche nicht nach den Namen der Personen und Straßen. Doch unverändert dargestellt sind die Handlungen der Menschen, in denen sich ihr Wesen und das Gesetz der Ereignisse gezeigt hat." Die Kühnheit der vielsträngigen Komposition dieses Romans ist viel gerühmt worden.


 

Anna Seghers: Der Kopflohn

Buchinfo

Sommer 1932: Die soziale Not in Deutschland erreicht einen neuen Höhepunkt. In dem rheinhessischen Dorf Oberweilerbach stehen die Kleinbauern vor dem Ruin, selbst die Großbauern befinden sich in Kreditnot. Frauen und Heranwachsende sind Opfer brutaler Ausbeutung. In dieser Situation trifft mit Johann Schulz ein unbekannter ‚roter‘ Flüchtling ein; sein Steckbrief hängt öffentlich in der Kreisstadt aus. Man beschuldigt ihn, bei einer Demonstration einen Polizisten getötet zu haben. Der ausgesetzte Kopflohn wird zur Versuchung, und es ist eine Frage der Gesinnung, wer ihn schließlich denunziert. Denn im Dorf werben die Nazis, die vor allem auf die Jugend große Anziehungskraft ausüben.

Anna Seghers‘ erster Exilroman durchdringt den menschlichen und sozialen Nährboden für den Aufstieg der NSDAP. Er beeindruckt durch seine sprachliche Intensität und den gestalterischen Reichtum der erzählerischen Mittel.


Buchbeginn

Bastian kam als letzter vom Feld, klappte die Zauntür zu, kratzte den Schmutz von der Hacke, legte sie an ihren Platz im Schuppen, wusch sich Gesicht und Hände an der Pumpe. Sein Kopf blieb gesenkt, seine Schultern vorgezogen, weil ihm der Rücken vom vielen Bücken spannte. Vor der Haustür bückte er sich tief zum letztenmal. Er wollte zwei Kartoffeln aufheben, die Dora aus dem Korb gefallen waren. Dabei wurde ihm schwindlig. Einen Augenblick stand er vierbeinig da, die Hände auf der Erde, um nicht umzukippen. Diesen Augenblick lang trug er eine unermeßliche Last auf seinem waagrechten Rücken. Dicht hinter ihm stand der Tod, die Hand erhoben, um noch einen kleinen Brocken zu der Last zu legen; dann war es um den Mann geschafft.

Anna Seghers: Die Gefährten

Buchinfo

Die vielen Gesichter des Widerstands – ein frühes Werk gegen die Hitlerdiktatur

Anna Seghers porträtiert in ihrem 1932 erschienenen Roman Männer und Frauen aus Ungarn, Polen, Italien, Bulgarien und China, die sich dem kommunistischen Widerstand verschrieben haben. Wie beiläufig kreuzen sich ihre Wege, trennen sich wieder oder nehmen, losgelöst voneinander und zeitweise wie gespiegelt im anderen, einen ganz eigenen Fortgang. So unterschiedlich ihre Entwicklungen auch sein mögen, die Erfahrungen, die sie dabei machen, die Entscheidungen, vor die sie sich gestellt sehen, und die damit verbundenen Gefühle von Angst und Hoffnung sind universell und zeitlos. Seghers verknüpft verschiedene moderne Erzähltechniken zu einer "Märtyrerchronik" (Kracauer) und einem wichtigen Zeugnis der Widerstandsprosa des frühen 20. Jahrhunderts.


Leseprobe

Winter 1924. Janek, vier Jahre Gefängnis hinter sich, wartete an der Station auf seinen Zug nach Bialystok. Es war scharf geheizt. Um die Stiefel der Menschen schmolz der Schnee in Pfützen. Janek hielt sich an der Tischkante fest, weil ihm schwindlig war, so weit und bewegt war alles. Gegen die breiten Fenster trieben riesige Schneemassen. Drei Bäuerinnen breiteten ihre Tücher am Ofen zum Trocknen aus. Die Soldaten, die rundherum auf den Bänken lagen, bedrückten den ganzen Raum mit ihrem schweren Schlaf.

Anna Seghers: Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft und andere Erzählungen

Buchinfo

Der Kurzgeschichtenband "Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft" erschien zuerst 1930 in Berlin. Anna Seghers’ Haltung im Zugriff auf gesellschaftliche Realitäten, die die Widersprüche nicht verkleistert, sondern wahrzunehmen und zu erhellen strebt, die soziale Genauigkeit, mit der sie Menschen und ihre Umwelt aufeinander bezieht und daraus differenziert ihr Verhalten ableitet und ihr Verlangen, all dies fundiert eine große Wahrhaftigkeit. Ein humanistischer Kern ist dem Frühwerk Anna Seghers’ wie dem später in der Emigration Geschaffenen eigen. Wesentlich wird die Überzeugung, in jedem und in jeder wirke die Sehnsucht nach sinnvoller Existenz, der Wunsch nach Überschreiten des Gegebenen, die Suche nach Gefährten, nach Bewährung der eigenen Kräfte. „In dieser fremden Stadt will ich ganz anders sein. Ich werde nie mehr hierher zurückkommen, aber diese eine Woche will ich für mich haben. Was ich in dieser Stadt mache, das zählt nicht mit, das gilt gar nichts, sowenig wie etwas gilt, was man im Schlaf macht. Was ich in dieser Stadt mache, wird einfach nicht mitgerechnet. Das kann ich. Das geht.“ (Auf dem Wege zur amerikanischen Botschaft)

 

Anna Seghers: Das siebte Kreuz - Ein Roman aus Hitlerdeutschland

Mit einem Nachwort von Thomas von Steinaecker.
Aufbau Taschenbuch 2018


Buchinfo

"Ein Roman gegen Diktatur schlechthin." Marcel Reich-Ranicki.

"Das siebte Kreuz" machte Anna Seghers mit einem Schlag berühmt und wurde zu einem bis heute anhaltenden Welterfolg. Die dramatische Geschichte einer Flucht vor den Nazis ist durchdrungen von Seghers’ eigenen Fluchterfahrungen. Aus sieben gekappten Platanen werden im Konzentrationslager Westhofen Folterkreuze für sieben geflohene Häftlinge vorbereitet. Sechs der Männer müssen ihren Ausbruchsversuch mit dem Leben bezahlen. Das siebte Kreuz aber bleibt frei.


"Der Stoff, aus dem dieses Buch gemacht ist, ist dauerhaft und unzerstörbar, wie weniges, was es auf der Welt gibt. Er heißt: Gerechtigkeit." Christa Wolf.

Sieben Gefangene sind aus dem Konzentrationslager Westhofen geflohen, aber nur einer erreicht das rettende Ufer. Auf seinem Fluchtweg trifft Georg Heisler auf Männer und Frauen, die sich entscheiden müssen zwischen Verrat und Treue, egoistischer Abkehr und Mitmenschlichkeit, Denunziation und Solidarität. Anna Seghers schrieb ihren berühmten Roman in Paris, einer Zwischenstation auf ihrer lebensgefährlichen Flucht vor den Nazis ins Exil, mit der Souveränität einer Schriftstellerin von Weltrang und einer Klarsicht, die die Lektüre bis heute zur tief berührenden existenziellen Erfahrung macht. Der Text ist durchdrungen von Seghers’ eigenen Erfahrungen und dem inneren Bild ihrer rheinhessischen Heimat.

Die vorliegende Ausgabe folgt dem Wortlaut der Erstausgabe von 1942 unter Berücksichtigung der heute gültigen Rechtschreibung und Interpunktion. 

"Es ist das einzige epische Werk der gesamten deutschen Exilliteratur, in dem nicht nur mit gerechtem Zorn Partei genommen wird, sondern - aus der Ferne - ein menschlich glaubhaftes Bild des verfinsterten Deutschland gelungen ist."

Carl Zuckmayer


Buchbeginn

Vielleicht sind in unserem Land noch nie so merkwürdige Bäume gefällt worden wie die sieben Platanen auf der Schmalseite der Baracke III. Ihre Kronen waren schon früher gekuppt worden aus einem Anlaß, den man später erfahren wird. In Schulterhöhe waren gegen die Stämme Querbretter genagelt, so daß die Platanen von weitem sieben Kreuzen glichen. 

Anna Seghers: Jude und Judentum im Werke Rembrandts (als Als Netty Reiling)

Verlag Philipp Reclam jun. Leipzig 1981
Reclams Universal-Bibliothek Band 851
Umschlaggestaltung: Friederike Pondelik unter Verwendung eines Gemäldes von Rembrandt "Junger Jude als Christus" (um 1656)


Buchinfo

Netty Reiling (Anna Seghers), geb. 1900, studierte Kunstgeschichte, Sinologie und Geschichte und promovierte mit der hier vorgelegten Studie 1924 in Heidelberg.

"Was interessiert uns heute noch an dieser Doktorarbeit...) Wir, die wir keine Rembrandtspezialisten sind, suchen in dieser Abhandlung über die Darstellung des Judentums im Werke Rembrandts Spuren, welche die nahe bevorstehende, nein: gleichzeitig stattfindende Verwandlung der Netty Reiling, Tochter des Mainzer Kunsthändlers und Antiquars Isidor Reiling, in die Schriftstellerin Anna Seghers ankündigen... Die Zeit, in der sie über das jüdische Motiv in Rembrandts Arbeiten nachdenkt, ist auch die Zeit, in der sie sich von den Wissenschaften verabschiedet und ihren Beruf findet...

Die Doktorandin, skeptisch gegenüber den vorliegenden Deutungen der Judendarstellung bei Rembrandt, fragt in ihrer Dissertation, wie später so oft in ihren Essays über Schriftsteller, nach jenem merkwürdigen Vorgang, der im Künstler Gesehenes, Erfahrenes, Gedachtes zum Kunstwerk umformt..." - Christa Wolf


Leseprobe

Die Gestaltung des überwirklichen Juden im biblischen Bilde

Indem das Genre in das religiöse Leben eingriff, lockert sich die feste, die ikonographisch strenge Ordnung des Dargestellten, und unter die Biblischen und heiligen Gestalten, ehemals als Verkörperungen unveränderlicher Ideen vor das Volk hingestellt, kommt nach und nach die Zufälligkeit und mannigfache Buntheit des diesseitigen Lebens. Indem das Alte Testament zum bevorzugten Thema wird, kann die ganze Fülle des täglichen Lebens in die Darstellung einströmen.

Anna Seghers: Aufstand der Fischer von St. Barbara

Aufbau Taschenbuch, 2018
Mit einem Nachwort von Sonja Hilzinger


Buchinfo

Ausgezeichnet mit dem Kleist-Preis.

Mit dieser Geschichte machte sich Anna Seghers 1928 in Deutschland einen Namen. Sie gestaltete ihre berühmte Erzählung über den Aufstand der bretonischen Fischer als große Parabel einer Niederlage, aus der die Hoffnung wächst. Je länger der Aufstand dauert und je aussichtsloser er zu sein scheint, umso stärker zerreißen Widersprüche und Konflikte das Leben der Inselbewohner: Misstrauen, Feigheit und Verrat, aber auch Treue und Stärke brechen sich Bahn. Mit einem kleinen, rostigen Dampfer fährt Johann Hull von der Margareteninsel an der bretonischen Küste auf die Insel St. Barbara. Die Fischer dort sind unzufrieden: Ihre Einnahmen werden gekürzt. Soll man streiken? Hull macht ihnen Mut, an die eigene Kraft zu glauben … Für die Publikation dieser Erzählung, ihre erste Buchveröffentlichung, benutzte Anna Seghers ihr Pseudonym ohne Vornamen und löste damit Spekulationen aus, dass hinter der kühlen, klaren Sprache eher ein Autor als eine Autorin zu vermuten sei. Es waren gerade die expressiven Bilder, eingefügt in mythische Dimensionen, die Hans Henny Jahnn veranlassten, sie zum Kleist-Preis vorzuschlagen, der ihr 1928 für den „Aufstand der Fischer von St. Barbara“ zusammen mit der Erzählung „Grubetsch“ zuerkannt wurde.

"Ein kleines Buch, dessen bestechende Dichte und nüchterne Schwermut, mit hoher erzählerischer Zucht verbunden, staunen machte, fesselte und die Verleihung des Kleist-Preises an die Verfasserin rechtfertigte." 

                                            Stephan Hermlin


Buchbeginn

Der Aufstand der Fischer von St. Barbara endete mit der verspäteten Ausfahrt zu den Bedingungen der vergangenen vier Jahre. Man kann sagen, dass der Aufstand eigentlich schon zu Ende war, bevor Hull nach Port Sebastian eingeliefert wurde und Andreas auf der Flucht durch die Klippen umkam. Der Präfekt reiste ab, nachdem er in die Hauptstadt berichtet hatte, dass die Ruhe an der Bucht wiederhergestellt sei.

Samstag, 19. Juli 2025

Ruth Rehmann - die Bücher

 Romane

Illusionen (1959)

Die Leute im Tal, Frankfurt a. M. 1968.

Der Mann auf der Kanzel (1979)

Abschied von der Meisterklasse (1985)

Die Schwaigerin (1987)

Fremd in Cambridge (1999)

Ferne Schwester (2009)

Erzählungen

Paare (1978)

Der Abstieg, Stuttgart 1987.

Bootsfahrt mit Damen (1995)

Der Oberst begegnet Herrn Schmidt, Stuttgart 1995.

Autobiografische Werke

Unterwegs in fremden Träumen, Begegnungen mit dem anderen Deutschland (1993)

Ruth Rehmann: Abschied von der Meisterklasse

Buchinfo

Hanna Steinbrecher, gescheiterte Meisterschülerin, begleitet ihre Maestra in ein Sanatorium, um die Memoiren der berühmten Solovirtuosin zu schreiben, und schreibend wiederholt sie ihr Scheitern im Schatten der egozentrischen Persönlichkeit, die im Höhenflug einer außergewöhnlichen Karriere Welt und Mitmenschen aus den Augen verloren hat. Krieg und Zerstörung, Not und Wiederaufbau sind Claire Schumann Kulissen geworden für den strahlenden Aufstieg in der Welt der Musik. Ruth Rehmann schildert die eskalierende Auseinandersetzung der beiden Frauen, zieht den Leser hinein in einen Kampf, bei dem es nicht nur um die täglichen Verdrängungen und Lebenslügen geht, sondern um den Preis, der für eine Karriere bezahlt werden muss.
 

Ruth Rehmann: Unterwegs in fremden Träumen: Begegnungen mit dem anderen Deutschland

Buchinfo

Ruth Rehmann erzählt von den Hoffnungen und Enttäuschungen, der Standhaftigkeit und den Irrtümern deutscher Schriftsteller seit dem Ende des Krieges, aber auch von ihren eigenen Erlebnissen in dieser aufgewühlten Zeit, ihren Freunden in der DDR, ihren Gefährten in der Friedensbewegung, den Menschen, die stumm, aber nicht weniger engagiert die gleichen Träume geträumt, die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Die so anschaulich geschilderte Atmosphäre und die aus mitfühlendem Verständnis so genau gezeichneten Porträts machen diese Spurensuche nicht nur zu einer spannenden und aufklärenden Lektüre, sondern auch zu einer nachdenklichen, ja aufwühlenden.


 

Ruth Rehmann: Ferne Schwester

Buchinfo

Ende der vierziger Jahre: Die junge Madeleine hat im Zweiten Weltkrieg alles verloren, Familie und Heimat. Ihr Traum, einen Neuanfang zu machen, erfüllt sich nicht. Als auch die Liebe zu Anton scheitert, wagt sie den großen Schritt. Madeleine schließt sich einer Gruppe deutscher Journalisten an, die als Erste über Frankreich nach Algerien reisen dürfen. Doch dort scheint sich schon der nächste Krieg anzubahnen. Nach vielen Jahren kehrt Ruth Rehmann mit einem großen Roman zurück, wie es ihn in Deutschland noch nicht gegeben hat: die Geschichte einer jungen Frau, die die Enge des zerstörten Europa der Nachkriegszeit hinter sich lässt und erst in der Fremde ihre eigene Geschichte versteht.


Buchbeginn

Ich habe nichts gegen die Berge, wenn sie weit genug weg sind. In der Nähe machen sie mir angst. Wenn es nach mir ginge, könnte ich jahrelang im Vorland der Alpen leben, ohne jemals hinaufzusteigen. Aber in der Zeit mit Anton ging es nicht nach mir, obwohl es manchmal so aussah.

 

Ruth Rehmann: Die Schwaigerin

Buchinfo

Die Schwaigerin ist eine eindrucksvolle Chronik des Bauernsterbens, deren Hauptperson die Bäuerin Anni ist. Sie bildet den ruhenden Mittelpunkt in der Entwicklung ihres Hofes und ihrer Umgebung, die von den Veränderungen der Zeit mitgerissen werden. Annis Freundschaft zu der Ich-Erzählerin, die von ganz anderer Wesensart ist, geben der Geschichte ihren eigenen Reiz.


Leseprobe

Ich war also nicht dabei, kann's mir aber vorstellen, wie beim Essen die Blicke den Freier abtasteten - die Qualität seiner Kleider, die Muskeln darunter, die Hände, was sie wohl heben und tragen und schaffen könnten; wie ihre Nasen aus dem Küchenbrodem den neuen Geruch filterten - fremde Kleider, fremdes Sach, fremde Kästen und Kammern. Als sie die Teller mit Brot auswischten, Löffel, Gabel und Messer sauber abgeleckt hineinlegten und sich, das Gesicht zur Madonna, zum Gebet aufstellten, hatten sie schon eine Meinung von ihm, keine schlechte, nehme ich an, obwohl noch nichts gesprochen war außer Nimm! Iß! Ist genug da. Und dann: Gegrüßet seist du Maria und so weiter. Amen, sagte Elfriede laut.

Ruth Rehmann: Fremd in Cambridge

Buchinfo

Elisabeth Götte, Deutschlehrerin, wirft das Handtuch. Sie verläßt ihre Schule, ihr Land, ihre Sprache und folgt einer Einladung nach Cambridge. Sie wird freundlich empfangen, fühlt sich rasch heimisch in der anderen Sprache, bis sie allmählich bemerkt, daß sie nichts versteht. Bleibt sie eine Fremde in dieser Sprache, in dieser Welt?
 

Ruth Rehmann: Paare - Erzählungen

Buchinfo

Da ist Witz und Ironie und tragikomische Menschlichkeit. Die Paare, die Ruth Rehmann vorstellt, sind meist nicht besonders liebenswert, aber mit ihren Schwächen kann man sich identifizieren ... Es sind rührende, oft heitere Geschichten über ein ernstes Thema. - Süddeutscher Rundfunk
 

Ruth Rehmann: Der Mann auf der Kanzel. Fragen an einen Vater

Buchinfo

Am ersten Weltkrieg nahm er als freiwilliger Feldgeistlicher teil; zu Kaisers Geburtstag schickte er alljährlich einen Brief nach Doorn; er war weder Naziverbrecher noch Widerstandskämpfer - er war konservativer Pfarrer in einer kleinen rheinischen Gemeinde.

Angeregt durch Fragen ihres erwachsenen Sohnes beginnt Ruth Rehmann sich intensiv mit dem Leben und der politischen Haltung ihres Vaters zu beschäftigen. Sie befragt die wenigen noch Lebenden, die sich an ihn erinnern können, der 1940 im Alter von fünfundsechzig Jahren starb, sie liest in alten Briefen und Familiendokumenten und sieht sich bald mit einer anderen Wirklichkeit konfrontiert als der, die sie im Gedächtnis bewahrt hat...


Leseprobe

In den Predigten dieser Jahre sei viel von Bescheidung einerseits und vom großen Vertrauen andererseits die Rede gewesen, von der Erfüllung der kleinen unscheinbaren Pflichten und Aufgaben, die Gott vor die Füße gelegt hat, von der christlichen Bewährung in der Familie, am Nächsten, an dem Platz, an den der Herr uns gestellt hat.
Warum sich mit Dingen befassen, die dem Einblick des bescheidenen Gotteskinders entzogen sind? Warum in die Ferne schweifen, da die Gelegenheit zum Guten so nahe liegt? Das Rechte tun und alle weiteren Sorgen auf Gott werfen. Er wird es wohl machen.

Ruth Rehmann: Illusionen

Buchinfo

In ihrem Roman "Illusionen" erzählt Rehmann vom Arbeitsalltag und den Wochenendvergnügungen dreier Frauen und eines Mannes, die im Großraumbüro eines Konzerns tätig sind. Mit ihren unterschiedlichen Vorstellungen und Träumen brechen sie samstagmittags ins Wochenende auf. In zwölf Kapiteln schildert Rehmann deren Abenteuer und Enttäuschungen, Träume und Illusionen und lässt uns an der verwirrenden, glücklichen, faszinierenden oder riskanten Vergangenheit und Gegenwart ihrer vier Protagonist:innen teilhaben – bis zur ernüchternden Rückkehr in den 13. Stock am Montagmorgen. Im selben Jahr wie Grass’ „Blechtrommel“ oder Bölls „Billard um halb zehn“ erschienen, lässt Rehmanns Zeit- und Gesellschaftsroman ganz neue Facetten der Wirtschaftswunderzeit entdecken und beeindruckt auch heute noch durch seine Modernität. 1958 las Ruth Rehmann das Kapitel „Das erste Kleid“ auf der Tagung der Gruppe 47 in Großholzleute. Bei der Abstimmung über den Preis der Gruppe unterlag sie schließlich jedoch Günter Grass.

 

Freitag, 18. Juli 2025

Ruth Rehmann: Bootsfahrt mit Damen

Buchinfo

„Was ist das für eine Freundschaft, in der nie etwas ausgesprochen wird, was die Bilder zerstören könnte, in denen wir uns einander zeigen oder verheimlichen wollen … Ich will das nicht mehr.“

Erinnerungen an Menschen und Begebenheiten, Gedanken über die Gegenwart, Liebesgeschichten, Träume und Zukunftsvisionen: 13 Erzählungen – Augenblicke der Wahrheit.


Buchbeginn

„Wie soll ich dir das erklären?“ sagte der alte Mann und blickte über den Scheitel des Jungen hinweg die leere Betonbahn hinauf und herunter, an den Pfeilern entlang, die in regelmäßigen Abständen neben die Schachteingänge gepflanzt waren. Der alte Mann und der Junge saßen auf zwei Stühlen neben einem der Pfeiler in der Sonne. Der Junge hatte einen Schreibblock auf den Knien und zog eine senkrechte Linie, die das Blatt in zwei Hälften teilte.


Zitat

„Ich denke, daß Worte nichts sagen, wenn man es nicht gesehen hat. Sie gehen wie Nadeln durch das Lebendige und stecken es fest, so daß es sich nicht mehr bewegen und anders werden kann. Aber das ist das Wichtigste beim Lebendigen. Alles hat sein Werden und Vergehen in seiner eigenen Zeit, auch an ein und demselben Baum. Es gab eine lange langsame Baumzeit und eine kurze schnelle Blätterzeit. Während die Baumzeit weiterging, war die Blätterzeit jedes Jahr einmal zuende. Dann schlossen die Adern sich zu, und die Blätter bekamen nichts mehr zu essen. Empört flammten sie auf in den unwahrscheinlichsten Farben. Aber am Ende mußten sie doch fallen.“ 

 

Margaret Laurence - die Bücher

A Tree for Poverty (1954, als Herausgeberin; Anthologie somalischer Lyrik und Erzählungen)

This Side Jordan (1960; Roman)

The Tomorrow-Tamer (1963; Erzählungen)

Übers. Herbert Schlüter: Die Stimmen von Adamo. Zehn Erzählungen. Droemer Knaur, 1969

Einzelerz., Übers. Reinhild Böhnke: Der Weltentrommler, in: Gute Wanderschaft, mein Bruder. St. Benno Verlag, Leipzig 1986, S. 175–193

The Prophet's Camel Bell (1963; Autobiografie)

The Stone Angel (1964; Roman)

Übers. Herbert Schlüter: Der steinerne Engel. Roman. Droemer Knaur, 1965; wieder Reclam, Leipzig 1988 (The Stone Angel)

Übers. Monika Baark: Der steinerne Engel. Roman. Eisele-Verlag, 2020. ISBN 978-3-96161-115-7

Eine Laune Gottes (1966)

Long Drums and Cannons: Nigerian Dramatists and Novelists 1952-1966 (1968, als Herausgeberin)

The Fire-Dwellers (1969; Roman)

Übers. Monika Baark: Das Glutnest. Roman. Eisele-Verlag, 2023. ISBN 978-3961611744.

A Bird in the House (1963; Erzählband)

Übers. Marlies Juhnke: Ein Vogel im Haus. Eine Kindheit in der kanadischen Prärie. Aufbau TB atv, Berlin 1992

Auszüge, Übers. Walter E. Riedel: Ein Vogel im Haus, in: Moderne Erzähler der Welt: Kanada. Edition Erdmann, 1976

Einzelerz. Übers. Marlies Juhnke: Pferde der Nacht, in: Kolumbus und die Riesendame. Aufbau atv, Berlin 1992, S. 41 – 65 (Horses of the night)

Einzelerz. Übers. Karl Heinrich: Die Seetaucher, in: Die weite Reise. Kanadische Erzählungen und Kurzgeschichten. Verlag Volk und Welt, 1974 (The Loons)

Jason's Quest (1970; Kinderbuch)

The Diviners (1974; Roman)

Auszug, Übers. Birgit Herrmann: Die Stätte des Unrats, in: Frauen in Kanada. Erzählungen und Gedichte. dtv, 1993 (The Nuisance Grounds)

Heart of a Stranger (1976; Essayband)

Six Darn Cows (1979; Kinderbuch)

The Olden Days Coat (1980; Kinderbuch)

A Christmas Birthday Story (1982; Kinderbuch)

Dance on the Earth: A Memoir (1989; Autobiografie)