Sonntag, 31. August 2025

Tillie Olsen: Was fehlt - Unterdrückte Stimmen in der Literatur (1978)

Buchinfo

Anhand verblüffender Aussagen von Schreibenden beleuchtet Tillie Olsen, auf welch vielfältige Weise der schöpferische Geist seit jeher unterdrückt wurde. Neben den großen Gestalten wendet sie sich vor allem den Marginalisierten zu, den Schriftstellerinnen, deren Kräfte in Häuslichkeit und Mutterschaft aufgerieben wurden, deren soziale Herkunft, sexuelle Orientierung oder Hautfarbe zu Ausgrenzung und Isolation führten. Sie öffnet den Blick für jene, die aufgrund der Umstände überhaupt keine Sprache finden konnten und einzig als Leerstellen in der Literatur auszumachen sind. Denn erst wenn wir anerkennen, was fehlt, können wir unsere Gesellschaft und die Literatur, die sie hervorbringt, richtig verstehen.


Buchbeginn

Die Geschichte, ja die Gegenwart der Literatur ist in den Mantel des Schweigens gehüllt: Bald ist es das jahrelange Schweigen anerkannter Größen der Literatur, bald ein Schweigen im Verborgenen; manchmal das Verstummen, nachdem ein Werk erschienen ist; manchmal die Tatsache, dass es gar nicht erst zu einer Veröffentlichung in Buchform kommt.

Was passiert in dieser Zeit mit der Schöpferin oder dem Schöpfer, mit dem schöpferischen Prozess? Was braucht das Schöpferische, um sich verwirklichen zu können? Ohne die Absicht oder den Anspruch, literaturwissenschaftlich vorzugehen, verspürte ich im Laufe der Jahre das Bedürfnis, alles darüber zu lernen, was ich in Erfahrung bringen konnte, blieb ich doch selber fast stumm und musste die Schriftstellerin in mir wieder und wieder sterben lassen.

 

Eeva-Liisa Manner: Das Mädchen auf der Himmelsbrücke

Buchinfo

Eeva-Liisa Manner (1921–1995) ist heute vor allem als die Dichterin bekannt, die in den 1950er Jahren die Moderne nach Finnland brachte. 1951 schrieb sie einen Roman, der auf ihren Kindheitserinnerungen basiert. "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" ist eine tieftraurige, beglückende Erzählung über ein Mädchen, das sich allein gelassen und unverstanden fühlt und der Welt abhandengekommen ist: eine Erzählung voller magisch anmutender sprachlicher Schönheit, geprägt von existenziellem Schmerz und überwältigendem Einfühlungsvermögen. Die neun Jahre alte Leena streift einsam durch die Straßen von Viipuri, die damals noch finnische Stadt in Karelien, die später im sogenannten Winterkrieg von der Sowjetunion eingenommen wurde. Leena wächst bei ihrer Großmutter auf, die Mutter ist nur wenige Tage nach der Geburt gestorben. Von der unverständigen Lehrerin wird sie vor der Klasse vorgeführt, zu Hause bei der Großmutter findet sie keinen Halt – als Leena, von verführerischen Orgelklängen angezogen, in der katholischen Hyazinthenkirche das erste Mal mit Musik von Bach in Berührung kommt, erfährt sie eine so starke Erschütterung, dass ihr Leben nicht mehr bleiben kann wie zuvor. Maximilian Murmann findet in seiner Übersetzung für das kindliche, zweifelnde Innenleben Leenas ebenso die richtigen Worte wie für die atmosphärischen Streifzüge durch die karelische Ostseestadt und die Offenbarung in der Musik. Tröstende Antworten auf die Fragen des Lebens liegen nicht in der Logik unseres Verstands, sondern im poetischen Raum von Kunst und Musik.


Buchbeginn

Es war einmal, nicht weit von hier und vor nicht allzu langer Zeit, ein Stück Geometrie, das zu Holz und Stein geworden war, eine Stadt, die es nicht mehr gibt. Oder sollte sie es noch geben, so ist sie nicht mehr wirklich und für uns außer Reichweite - sie lebt einzig in der Vergangenheit, ist selbst Vergangenheit geworden. Vielleicht ist sie gerade deshalb schöner als wirkliche Städte; wirkliche Städte sind wahr gewordene Träume, unsere Stadt ist eine Traum gewordene Wahrheit. Sie ist vollkommen, weil sie aufgehört hat zu existieren; sie ist ewig, weil sie tot ist.

Samstag, 30. August 2025

Agnes Smedley - die Bücher

Cell Mates, No. 1 - No. 4. In: Call Magazine, dem Sunday magazine der sozialistischen Tageszeitung New York Call. am: 15. Februar 1920 [nicht im Signs-Nachdruck 1977]; 22. Februar 1920; 29. Februar 1920; 14. März 1920.

India and the Next War. Amritsar 1928.

Daughter of Earth. Coward-McCann, Inc., New York 1929 (1935 erschien die gekürzte Neuauflage dieses autobiografischen Romans mit einer Einleitung von Malcolm Cowley). Neuausgabe: The Feminist Press, New York 1973. ISBN 0-935-31268-4

Deutsche Übersetzung von Julian Gumperz: Eine Frau allein. Mein Lebensroman. Societäts-Verlag, Frankfurt am Main 1929. Neuausgabe: Dietz, Berlin 1949.

Chinese Destinies: Sketches of Present-Day China The Vanguard Press, New York 1933.

Deutsche Übersetzung von Julian Gumperz und Willi Schulz: Chinesische Schicksale. Skizzen aus dem China von heute. Moskau/Leningrad: Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1934.

China kämpft. Vom Werden des Neuen China. Dietz, Berlin 1949.

China Fights Back: An American Woman with the Eighth Route Army. The Vanguard Press, New York 1938.

China blutet. Vom Sterben des alten China. Malik, London 1936.

Stories of the Wounded. Newspaper Enterprises, Hong Kong 1941. Hilfsbitte für Orthopädische Zentren des Chinesischen Roten Kreuzes.

Battle Hymn of China. Alfred A. Knopf, New York 1943.

The Great Road: The Life and Times of Chu Teh. Monthly Review Press, New York 1956. Über Zhu De. ISBN 0-853-45206-7. Digitalisat online bei Archive.org.

Deutsche Übersetzung von Georg Friedrich Alexan: Der große Weg. Das Leben Marschall Tschu Tehs. Berlin 1958.

Portraits of Chinese Women in Revolution. The Feminist Press at The City University of New York, New York 1976. ISBN 0-912-67044-4.

Jan MacKinnon, Stephen Mac Kinnon (Hrsg.; Einleitung): Agnes Smedley's ‚Cell Mates.‘ In: Signs, Bd. 3, Winter 1977, S. 532ff. Nachdruck dreier Cell Mates Kolumnen (1920). 

Lebenswege in China

Agnes Smedley: China kämpft

 Leseprobe

"Man hat uns gesagt, du seiest eine Frau, die für die Armen kämpft. Sie nennen dich eine Revolutionärin ... Du bist stolz auf deine großen Füße und dein kurzes Haar, du bist stolz auf das schwarze Gewehr an deinem Gürtel. Warum läßt du zu, daß eure Männer die Tochter einer armen Frau entehren, so daß sie ihren Kopf vor Scham nicht mehr zu heben wagt?"
Durch die Versammlung ging eine Bewegung, als brächte ein starker Wind einen Wald zum Rauschen.
Mao Tse Tung, zwei rote Kommandanten und das Mädchen Tschu Tschang begannen durcheinander zu reden. Die Leute sahen, daß sie die Frau und die Tochter vor die Gefangenen führten. Vor einem kleinen, vierschrötigen Mann blieb die Frau stehen und zwang das Mädchen ihm ins Gesicht zu sehen. "Ja, das ist er", sagte sie und verbarg wieder das Gesicht.


Agnes Smedley: Lebenswege in China

Leseprobe

"Wenn du den Armen helfen willst, warum schließt du dich nicht den Roten an?"
"Wenn ich das tue", erklärt Meng mit einem Achselzucken, "bekomme ich kein Geld, nichts, gar nichts, und die Soldaten werden gegen mich kämpfen. Jetzt werde ich gut behandelt. Ich kann überall herumreisen, ohne verhaftet zu werden und den Kopf abgehackt zu bekommen. Wenn ich aber ein Roter bin, wird man mir den Kopf abhauen. Jetzt geht es mir gut. Manchmal habe ich Geld, manchmal bin ich auch sehr arm, wie jetzt. Wenn ich zu den Roten gehe, werde ich aber immer arm sein. Wartet nur, eines Tages werde ich reich sein und vielleicht General werden."


"Bei allem Verantwortungsgefühl und aller Abneigung vor Superlativen muß man feststellen, daß die Weltliteratur seit dem Krieg keinen Schriftsteller von stärkerer Wahrheitsfreude und bedeutenderen Erlebniskräften hervorgebracht hat. Agnes Smedley steht mitten im Schaffen einer sozialen und künstlerischen Unerbittlichkeit, und ihre Feder ist eine Macht."

Egon Erwin Kisch

 

Agnes Smedley: Tochter der Erde / Eine Frau allein

Tochter der Erde

Buchinfo

1894 in Missouri geboren, wächst Agnes Smedley in bitterster Armut auf. Diese Jahre der Entbehrungen, der Erfahrung von Unterdrückung und Abhängigkeiten, vor allem auch als Frau, werden bestimmend für ihr ganzes weiteres Leben.

Die Tante wird Prostituierte, um die Familie zu unterstützen, die Mutter stirbt überarbeitet. Ihr Tod stellt die 16jährige Agnes vor die Wahl, das Schicksal dieser beiden Frauen zu teilen, um ihre jüngeren Geschwister zu ernähren oder die Liebe und das Verantwortungsgefühl für ihre Familie in sich zu unterdrücken und "ungebunden" einen Weg aus dem Teufelskreis der Armut zu suchen.

Sie verläßt die Familie. Mit rücksichtsloser Härte gegen sich selbst erkämpft sie sich den Weg zu einer Ausbildung und an die Universität. Sie schließt sich der indischen Unabhängigkeitsbewegung an, geht dafür ins Gefängnis. Sie verläßt 1919 die USA, lebt neun Jahre in Berlin, wo sie u.a. mit am Aufbau einer Klinik für Geburtenkontrolle arbeitet. Als Korrespondentin für die Frankfurter Zeitung geht sie 1928 nach China und nimmt dort aktiv am chinesischen Freiheitskampf teil. Schließlich kehrt sie 1941 in die USA zurück, wo sie als Sowjetspionin verdächtigt und in ihrer journalistischen Arbeit boykottiert wird. Sie verläßt erneut das Land und stirbt am 6. Mai 1950 in England.

Im Zuge der Kommunistenhysterie der 50er Jahre verschwinden ihre Bücher aus den Bibliotheken und werden nicht mehr aufgelegt. Noch heute sind manche ihrer Bücher schwer zugänglich. 

,Tochter der Erde' ist das Erstlingswerk von Agnes Smedley, geschrieben in einer existentiellen Krise und als ein verzweifelter Versuch, ihrem Leben einen Halt zu geben.

Es erschien 1929 unter dem Titel ,Eine Frau allein' zum erstenmal in Deutschland. Ein beeindruckendes Buch einer starken und bewundernswerten Frau, die wir alle kennen sollten und, wie sie selbst schreibt: "Ein Testament derer, die nicht an Schönheit oder Liebe sterben, sondern derer, deren Leben ein Kampf ums Überleben ist."


Buchbeginn

Mein Vater will hoch hinaus

Meine erste Erinnerung ist ein seltsames, zartes und geheimes Gefühl. Mein Vater hielt mich im Schlafe fest an seinen ungeheuren Körper gepreßt. Ich muß damals noch ein ganz kleines Kind gewesen sein, denn aus dieser Zeit ist mir nichts als dieses Gefühl lebendig. War das ein erstes Erwachen des Bewußtseins oder ein Traum - ich weiß es nicht.


Eine Frau allein



 

Inge von Wangenheim: Die Geschichte und unsere Geschichten

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Essay heißt Versuch, geistige Auseinandersetzung. Es ist zudem Kennzeichnung einer literarischen Gattung. Unter einem Essay verstehen wir eine unkonventionelle, subjektiv geprägte, überschaubare, ansprechend geschriebene und gut lesbare Abhandlung eines literarischen Themas. Wir sehen in der Essayistik ein großartiges Mittel, zu brennenden Fragen der literarischen Entwicklung Stellung zu nehmen, Meinungen zu provozieren, Ansichten kundzutun und polemische Untersuchungen anzustellen, die sowohl für den einzelnen wie für die ganze Literaturgesellschaft wesentlich sind.


Leseprobe
Bei theoretischen Überlegungen zur sogenannten "Gegenwarts"literatur wird dieser Hauptunterschied zwischen der stofflich antifaschistischen und der stofflich sozialistischen Fabel meist übersehen oder als Grundschwierigkeit unterschätzt. Man begnügt sich mit der richtigen Feststellung, daß der Schriftsteller in der Lage ist, jedes beliebige historische, stoffliche, thematische Milieu nach den Erkenntnis- und Gestaltungsprinzipien des sozialistischen Realismus zu meistern und somit seinen Beitrag zu leisten zur Entwicklung der sozialistischen Gegenwartsliteratur.

 

Inge von Wangenheim: Reise ins Gestern

Buchinfo

Weit mehr als nur das Porträt der Stadt München, ihrer Kunst, ihrer Vergangenheit, ihrer Menschen, ist dieser Reisebericht öffentliche Rechenschaft einer Wiederbegegnung mit der Welt von gestern und tiefgehende persönliche Auseinandersetzung mit der gegenwärtigen Situation in der Bundesrepublik. Die Tradition Heinescher Reisebilder aufgreifend, erweist sich Inge v. Wangenheim einmal mehr als einer der interessantesten Essayisten unserer Republik.


Leseprobe

Das bajuwarische "Gnä Frau" des Gepäckträgers allerdings kostet mich jetzt drei Mark fünfzig. Es ist gewiß einmal billiger gewesen. Vor dem Hotel gibt mir der Taxifahrer das ihm zugedachte Trinkgeld zurück. "Sind schon jenuch jeneppt, meine Dame." Heimattöne, die mich rühren. Der treuherzige Landsmann wünscht mir noch ein "Amüsemang" dazu. "Is ja bald Fasching. Da spiel'n se hier varrickt. Müssen Se mal erleben!"
Ich will alles erleben, was mir nur irgend erlebbar ist. 

Inge von Wangenheim: Kalkutta liegt nicht am Ganges

Buchinfo

Mit ihrer lebendigen, so zupackenden wie fein differenzierenden Sprache hat Inge von Wangenheim ihre Erlebnisse, Eindrücke, Erfahrungen und Gedanken auf einer fünfmonatigen Indien-Reise eingefangen. Sie schildert die Menschen im Monsunwaldgürtel, die noch auf der Stufe der Sammler und Jäger leben, und die supermodernen Bauten des Birla-Konzerns; sie besucht Hütten und Klubs, spricht mit dem Filmproduzenten und mit dem Bettler, steht bewundernd vor den Tempeln von Mahabalipuram und bestürzt vor den "Urweltgestalten aus Dantes Hölle" in den traditionellen Bestattungsstätten am Ganges. Und mit jedem Gedanken, mit jeder Zeile sucht sie in das Gesehene und Erlebte einzudringen und die Gesetzmäßigkeiten unter der bunt schillernden Oberfläche zu finden.


Leseprobe

Unser Abschied voneinander ist herzlich; dem Kofferraum ist nur noch der Pappkarton mit dem indischen Tee, den wir unterwegs einkauften, zu entnehmen. Ich will es tun, der Fahrer hindert es, tut es selbst. Das ist sehr höflich, denke ich, und will den Karton ergreifen, aber auch das entspricht nicht der landesüblichen Vorstellung. 

 

Inge von Wangenheim: Einer Mutter Sohn

Buchinfo

Kriegsjahr 1944. Der zwölfjährige Hans Troth, ein "Schlüsselkind", hat den Vater verloren. Die Mutter arbeitet bei der Reichsbahn; sie kann sich kaum um ihr Kind kümmern.

Bomben fallen auf Berlin. Nach dem schreckenvollen Wirrwarr eines Luftangriffs glaubt die Mutter ihren Jungen, der als Luftschutzhelfer eingesetzt war, nicht mehr am Leben. Hans aber, der durch die Explosion einer Bombe die Sprache verloren hat, wird mit dem Pappschild "Unbekannt" um den Hals in ein Sammellager gebracht. In den letzten Kriegstagen reißt er aus. Der Groll gegen seine Mutter, die ihn allein gelassen hat, frißt an ihm und wird zum Haß gegen alle Ordnung. Vielfältig, abenteuerlich und gefährlich ist das Leben, das Hans jetzt führt - als Oberhaupt einer Bande jugendlicher Krimineller, als schwarzarbeitender Handwerker, als Zirkusarbeiter. Schließlich steht er eines Tages im Gerichtssaal vor seiner Mutter, die inzwischen Jugendrichterin im demokratischen Sektor Berlins geworden ist. Der Prozeß wird nicht beendet, Hans flieht nach Westberlin. Sein Weg führt steil bergab - bis zu einem Selbstmordversuch. Jetzt erst gelingt es seiner Mutter und ihren Freunden, die Hemmungen, die der lebenswunde Sohn ihrer Hilfe entgegensetzt, zu überwinden.
Wir erleben die Kriegs- und Nachkriegsschicksale einer in Not geratenen Jugend zwischen den Sektorengrenzen. Was wissen wir von dieser Jugend? Wie tief ist unser Verständnis für ihre Nöte und Sorgen?
Auch in dem vorliegenden Roman scheut sich Inge von Wangenheim nicht, ein brennendes, aktuelles Problem aufzugreifen. Dieses Buch läßt erkennen, welch gründliche Studien die Autorin auf dem Gebiete des Jugendrechtes betrieben hat, wieviel Material ihr zur Verfügung stand, aus dem sie die besonderen Charaktere des Buches formte. Vor allem aber, und das ist das Wichtigste, jede Zeile dieses Romans ist durchpulst von einer echten, kameradschaftlich-helfenden Liebe zur Jugend. 

Maria Edgeworth: Meine hochgeborene Herrschaft

Buchinfo

Maria Edgeworth (1.1.1767-22.5.1849) lebte wie ihre Zeitgenossin Jane Austen unverheiratet auf dem Lande. So hatte sie Muße, ihre Umwelt – die benachbarten Adelsfamilien samt ihrer zahlreichen Dienerschaft und ihren Pächtern – aufmerksam zu beobachten und in Romanen und Erzählungen abzubilden. Ihre Kunst der Charakterisierung, ihr Humor und ihr Gerechtigkeitsempfinden vereinen sich auf das glücklichste in dem Sittenroman „Meine hochgeborene Herrschaft“.

Vier Generationen braucht die Herrschaft derer von Rackrent, um ihr Besitztum herunterzuwirtschaften. Sie quält sich nicht damit herum, sondern besorgt dies mit Stil, im Rausch, und zwar jeder der vier Träger des ehrwürdigen Namens auf seine Art. Sir Patrick gibt die feuchtfröhlichsten Gelage, Sir Murtagh führt die glänzendsten Prozesse, Sir Kit vergnügt sich im englischen Badeort Bath, ist der beliebteste Gentleman dort und macht eine schwerreiche Partie, Sir Condy gar wird ins Parlament gewählt. Allein, so hoch auch das Ansehen des traditionsreichen Hauses ins Kraut schießt, zum Ernten kommt die Familie nicht. Das große Gesellschaftsleben, die lukullischen Genüsse, die stolzen Erfolge sind Seifenblasen. Bald finden sich keine Kerzen mehr im Haus, die Scheiben bleiben zerbrochen, die Tore liegen danieder, und schließlich gleiten Grund und Boden den aristokratischen Eigentümern aus den Händen.


Buchbeginn

Montag morgen

Da ich es freiwillig übernommen habe, die "MEMOIREN ÜBER DIE FAMILIE RACKRENT" zu veröffentlichen - aus Freundschaft zu der Familie, auf deren Besitztum ich und die Meinen, der Himmel sei gepriesen, seit undenklichen Zeiten pachtfrei wohnen -, halte ich es für meine Pflicht, zunächst einmal einige Worte über mich selbst zu sagen. Mein richtiger Name ist Thady Quirk, doch in der Familie war ich nie unter anderem Namen als der "ehrliche Thady" bekannt. Später, zur Zeit des seligen Sir Murtagh, nannte man mich, wie ich mich erinnere, den "alten Thady", und jetzt bin ich zum "armen Thady" geworden, weil ich im Sommer wie im Winter einen langen Überrock trage, der sehr praktisch ist, denn ich stecke meine Arme niemals in die Ärmel; daher sind sie noch so gut wie neu, obwohl ich den Mantel zum kommenden Allerheiligenfest just sieben Jahre habe; wie ein Umhang wird er durch einen einzigen Knopf um den Hals befestigt.

Freitag, 29. August 2025

Hedwig Lachmann

Hedwig Lachmann wurde am 29. August 1865 in Stolp (Slupsk/Polen) geboren. Die Tochter eines jüdischen Kantors bestand bereits als 15-Jährige das Examen als Sprachlehrerin und ging 1882 als Erzieherin nach England, später nach Dresden und Budapest. 1889 ließ sie sich in Berlin nieder. Hier begann sie, durch Paula und Richard Dehmel ermutigt, englische, französische und ungarische Lyrik ins Deutsche zu übersetzen.

Sie selbst dichtete und schrieb für Zeitschriften. Ihre „Ungarischen Gedichte“ veröffentlichte sie 1891. 1902 erschien „Im Bilde. Eigenes und Nachdichtungen“ mit Übersetzungen von Werken Verlaines, Swinburnes, Poes und Wildes.

Seit 1889 hatte sie bis kurz vor ihrem Tod Verbindung zum Friedrichshagener und Pankower Dichterkreis.

Mit Richard Dehmel, dem sie 1892 begegnete, verband sie eine langjährige Freundschaft. Diese endete, als sich Dehmel für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs begeisterte.

1903 heiratete sie Gustav Landauer, der sich von seiner ersten Ehefrau scheiden ließ; das Paar lebte in England, sie hatten zwei Kinder. Gemeinsam übersetzten sie weitere Werke von Oscar Wilde.

Als Hedwigs Mutter 1917 starb, zog die Familie nach Krumbach.

Hier starb Hedwig Lachmann am 21. Februar 1918 an einer Lungenentzündung. Ein Jahr später brachte ihr Mann ihr Gesamtwerk unter dem Titel „Gesammelte Gedichte. Eigenes und Nachdichtungen“ heraus. 

Donnerstag, 28. August 2025

Inge von Wangenheim: Die Probe

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Walter und Jochen sind Brüder, haben es bisher jedoch nicht gewußt, weil der eine in Hamburg beim Vater und der andere in Weimar bei der Mutter aufwuchs. Plötzlich stehen sie voreinander. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie wären aufeinander losgegangen. Doch Walter halten seine Freunde vor unüberlegten Schritten zurück. Jochen Sasse muß sich als Gast an seinen Auftrag halten. Tante Luise bringt die verfahrene Situation ins rechte Gleis. Zögernd zunächst, dann aber mit immer größerer Begeisterung nehmen sie voneinander Kenntnis, akzeptieren sie sich. Natürlich schmieden sie sofort Pläne, wozu ist man Mitte zwanzig? Was wäre, wenn sie die Identität tauschen könnten, wenn jeder die Umwelt des anderen aufsuchte, die jeweiligen Beteiligten auf die Probe stellte?


Buchbeginn

Das älteste und einmal prächtigste Haus in der langen, grauen Straße, die den Westberliner Bezirk Wedding vom Zentrum bis zum Nordwesten Berlins durchziehe, wird das Sassehaus genannt. Man hätte auch die ganze Straße einfach Sassestraße nennen können, denn zur Hälfte gehört sie noch heute dem Enkel der bedeutenden Firma, die hier einmal mit einem schlichten Eisenwarenhandel en gros und en détail begann. Die andere Hälfte freilich liegt nun jenseits der Mauer, wo die glückliche Hand der Sasses nichts mehr zu bestellen hat. Diesseits ist sie aber tonangebend. Was im Haus Sasse geschieht, steht morgens in der Zeitung, wandert abends über den Bildschirm.

Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale), 1973
Buchclub 65

 

Inge von Wangenheim: Die tickende Bratpfanne

Buchinfo

Das Rätsel der "Die tickende Bratpfanne" ist schnell gelöst: ein kunstgewerblich angehauchtes Produkt der Uhrenindustrie im Arbeitszimmer der Autorin läßt Besucher je nach Geschmack entzückt oder grämlich blicken. ("Meine tickende Bratpfanne kann zaubern; sie zwingt zur Stellungnahme.") Stellung genommen hat Inge von Wangenheim zeit ihres Lebens - wobei es nun freilich oft um unendlich Wichtigeres ging als um den Spaß an einer Bratpfannen-Uhr. Im Prisma ihrer Persönlichkeit brechen sich Ausstrahlungen einer ganzen Epoche. Die Kunst, ihre Schöpfer und Interpreten stehen in diesem kaleidoskopischen Erinnerungsbuch im Zentrum eigenen Erlebens. Zumeist überzeugend, zuweilen zum Widerspruch anregend. Da sind die "goldenen Zwanziger", da sind die bitter-heroischen Jahre der Emigration, des Neubeginns ... Da sind Verehrte wie Helene Weigel, Horst Caspar und Heinrich Greif, Zwielichtige wie Gustaf Gründgens, Weggefährten und Gegenspieler ... Da sind Essay und Glosse, Lyrisches und Anekdotisches ... Und dies alles ästhetisch reizvoll und springlebendig im Blickpunkt einer Frau, die Verstand und Gefühl nicht trennt.


Buchbeginn

Warum die Bratpfanne tickt

Damit ich weiß, wann mir die Stunde schlägt - könnte ich sagen. Aber die Sache hat doch mehr Hintergrund, und zwar diesen:
Ich habe es nie zum Besitz einer Zimmeruhr gebracht - zeit meines Lebens nicht. Natürlich meine ich nicht so einen monumentalen Standklotz aus Eiche und falschem Barock, der mit seinem umständlichen "ging-gong" Tote erweckt, nein - ich dachte immer nur an eine schlichte Stundenzählerin ohne Stil und höheren Anspruch, aber mit Schlüssel zum Aufziehen, deren traulich-verläßliches "ticketacke" über meine beschränkten Verhältnisse das Fluidum einer gewissen Solidität, ja, eines gewissen Wohlstands hätte werfen können...

Greifenverlag zu Rudolstadt, 1975

 

Inge von Wangenheim: Spaal

Buchinfo

"Spaal" - das ist: Forst und Jagdhaus des einstigen Schloßherrn auf Kochberg, Josias von Stein, dessen Frau Charlotte auf diesem in seiner Art einmaligen Schauplatz von zaubrischer Anmut zehn Jahre lang mit einem gewissen Goethe ... nein, nicht von dieser Liebe handelt Inge von Wangenheims neuer Roman; die Autorin spiegelt nur ihre sehr heutige Liebesgeschichte in dieser alten und vertraut dabei auf die Bereitschaft des Lesers, vergangenes Liebesglück als Gegenwart zu gewinnen und in einer gegenwärtigen Liebe das Glück seiner und unser aller Geschichtlichkeit zu erleben. Sensibilität, Schaugenuß und Produktivität der goethischen Landschaft, der goethischen Natur schlechthin werden im Weimarischen Umkreis mit all seinen Schätzen, die es bezeugen, in einer so leidenschaftlichen wie auch etwas ungewöhnlichen Handlung zwischen dem jungen Schauspieler Lutz Faber und der Archivarin Lily Graf, einer weimarischen Dame aus dem Hause Pappenheim, zum fugischen Begleitthema. Sie lassen den Leser auf unterhaltende Weise Einblick nehmen in das Milieu der kleinen Stadt an der Ilm, die täglich eine Welt bei sich zu Gast hat und das "Mekka der Klassik" genannt wird.

Inge von Wangenheim schrieb einen Liebesroman. Außerdem erzählt dieses Buch von ihrer Liebe zu der Landschaft, die ihr zur Wahlheimat wurde.

Greifenverlag zu Rudolstadt
1. Auflage 1979

 

Inge von Wangenheim: Genosse Jemand und die Klassik

Buchinfo

Besitzen junge Autoren in unserem Land die künstlerische Gestaltungskraft, das parteiliche Urteil, die Unbeirrbarkeit in weltanschaulichen Grundfragen, den Mut zur Wahrheit, wie ihre Väter und Vorväter? Welche Verluste bringt die notwendige Betonung von Naturwissenschaft und Technik in unserer Bildung und Erziehung trotz aller unübersehbaren Fortschritte? Was für Erscheinungen eines unzureichenden Verhältnisses zu unserem Erbe gibt es noch?

Solche und andere Probleme gegenwärtiger und künftiger Kulturentwicklung im Sozialismus bestimmen das Für und Wider in diesem Buch. Polemisch scharf bereitet Inge von Wangenheim dem Leser in einem streitbaren Essay ihre Vorstellungen aus. Ihre Ansichten erfahren - nicht minder vehement und kritisch - Zustimmung, aber auch Widerspruch durch die Autoren M. Jendryschik, E. Wenig. B. Weinkauf, den Literaturwissenschaftler Prof. Dr. D. Sommer, den Pädagogen Prof. Dr. F. Hofmann und den Literaturkritiker H. Mechtel. Mit gewohntem Temperament beschließt Inge von Wangenheim diesen Streit der Meinungen.

Mitteldeutscher Verlag 1982

 

Inge von Wangenheim: Weiterbildung

Buchinfo

"... Ich bin unmöglich. Kaum steht er neben mir, vor mir oder hinter mir, ist mir, als müßte ich ihn zerreißen, einfach auflösen, damit er nicht mehr da ist ... und wenn er nicht so nah ist, daß ich ihn sehe, bin ich vollkommen hin und verloren. Geht das so weiter, fahr ich nach Hause..." - Seit einigen Tagen denkt die erfolgreiche Deutschlehrerin Dr. Hanna Rieweg nur noch an Peter Hellring, den sympathischen Redakteur. Liebe auf den ersten Blick! Auf einem Lehrgang für Pädagogen in Schloß Liebenau bei Rudolstadt sind sie sich begegnet. Während der vierzehn Tage Weiterbildung erleben die beiden eine Romanze, die ihnen hautnah bewußt macht, daß Persönlichkeitsbildung im klassischen Sinne solche Überraschungen einschließt. Das Erlebnis dieser Liebe offenbart beiden Partnern ein neues Lebensgefühl. Sie finden dennoch einen Wiederanfang in alter Umgebung. Die Autorin Inge von Wangenheim erzählt eine ebenso spannende wie problemerfüllte Liebesgeschichte.


Leseprobe

Der besorgte Blick zum anderen Bett ist überflüssig und die Bandscheibe der Genossin Sauer ein wahrer Segen. Sie läßt die geschätzte Abgesandte des Ministeriums immer erst weit nach Mitternacht zur Ruhe finden, was sie just am Morgen, da andere Leute aufstehen, zum ersten Mal tief und fest schlafen läßt.
Hanna nimmt das kleine Transistorgerät von Ritas Nachttisch, legt das Kästchen ans Ohr, die Nachrichten zu hören.

Mitteldeutscher Verlag Halle-Leipzig, 1983

 

Inge von Wangenheim: "Die Verschwörung der Musen" - Gedanken eines Schriftstellers auf der Suche nach der Methode seiner Zeit

Buchinfo

Sind in unserer wissenschaftlich begründeten, sozial gerecht geordneten Gesellschaft die Feuer der Leidenschaften verloschen, an denen sich die Musen erwärmen? Ist die Zeit großer Kunst beendet, weil wir Pistole, Dolch und Gift aus der Lösung unserer Konflikte verbannten? Wo sind bei allem Erreichten die literarischen Werke, in denen der Prototyp des entwickelten sozialistischen Gesellschaftssystems auf der Höhe seiner Epoche agiert? Kann man alte bewährte Formen der Kunst für uns fruchtbar machen und reicht es dabei, sie einfach mit einem neuen Inhalt zu füllen, sind künstlerische Formen ideologiefrei?

Auf solche und ähnliche Fragen sucht Inge von Wangenheim in Fortführung ihres vieldiskutierten Essays "Die Geschichte und unsere Geschichten" Antwort. Immer geht sie von eigener Lebens- und Kunsterfahrung aus. Nie macht sie sich die Antwort leicht. In ständiger Polemik mit dem Feind und falschen und irrenden Freunden versucht sie, den alten Begriff von Schuld und Sühne neu zu interpretieren und für uns verwendbar zu machen. Ein leidenschaftlicher Essay, der selbst noch an den Stellen, wo man der Autorin nur distanziert folgt, besticht durch die Leidenschaft einer bedeutenden kommunistischen Künstlerpersönlichkeit.


Leseprobe

Wir müssen uns spiegeln in dem, was außerhalb von uns selbst vorgeht: ein Weltklassenkampf von unerhörter Härte und Folgenschwere, an dem wir teilnehmen, bei dem wir dabei sind - mit jedem Atemzug, den wir tun, mit jeder Mahlzeit, die wir essen, mit jedem Schlaf, den wir schlafen, mit jedem Wachsein, zu dem wir uns aufraffen, mit jedem "ökonomischen Hebel", den wir anfassen, mit jeder Erfindung, die wir erfinden, mit jeder Entdeckung, die wir entdecken! 

Mitteldeutscher Verlag Halle (Saale)

 

Inge von Wangenheim: Auf Germanias Bärenfell

Buchinfo

Der Essay ist heute vor allem als ein Dokument der Zeitgeschichte zu lesen; aber auch mehr als zehn Jahre nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit sind Inge von Wangenheims Kulturkritische Anmerkungen, aber auch ihre Träume von erstaunlicher Aktualität.

 

Inge von Wangenheim: Station 5

Buchbeginn

"Unmögliches wird gleich erledigt - Wunder dauern etwas länger!"

Diesem Spruch begegnete ich im letzten Frühjahr in Bad Liebenstein. Er hing, eher einer Losung gleich, handgestickt auf Gitterleinen über eine ganze Wand hin in der Schusterwerkstatt des älteren jener beiden Flickkünstler, über die der Kurort verfügt, und ich gestehe: er faszinierte mich. Der jüngere Meister vom Ort hat seine Wände über dem Arbeitsplatz mit bunten Ansichtskarten aus aller Welt geschmückt. Auch sehr schön, aber nicht so schön, wie der Spruch. Als ich ihn las, zitierte ich ihn lachend.

Mitteldeutscher Verlag

 

Inge von Wangenheim: Deutsch und Geschichte

Buchinfo

Was hat Schiller mit dem Vorfall zu tun, der sich während der Premierenfeier ereignete? Eine solche Frage ist doch absurd!? Ein Klassiker! Die Meinungen sind geteilt. Dabei hat doch alles mit Schiller und der Aufführung seiner "Maria Stuart" angefangen. Das Theater nahm das Stück aus Anlaß des Jubiläums in den Plan und engagierte für die Inszenierung einen jungen Regisseur aus Berlin, der durch eine andere Klassikeraufführung bereits Aufsehen erregt hat. Und dann dieser Vorfall, der sogar ein gerichtliches Nachspiel hat. In bekannter Weise, mit Leidenschaft und Engagement behandelt Inge von Wangenheim in ihrem ebenso spannenden wie unterhaltsamen Roman das Thema, das sie seit Jahren beschäftigt. Wie ist unser Verhältnis zum klassischen Erbe? Wie kann und muß man das Werk Schillers betrachten, inszenieren und aufnehmen? Was leistet die Schule dabei? Fragen über Fragen! Den Leser erwartet eine Geschichte, in der es turbulent zugeht, in der Überraschungen nicht ausbleiben und alles eine glückliche Lösung findet.


Leseprobe

Es gab Augenblicke, da der noch unfertige junge Mann vom Prenzlauer Berg, der manches schon verstand, nur noch vom Theater so gut wie nichts, auf seinem Stuhl hinter dem Regietischchen stumm und befangen in sein Buch starrte, ohne sich zu rühren. Die edle Beredsamkeit der Heistenberg war ihm peinlich. Zu dem Schillerschen Pathos hatte er kein Verhältnis. Und dabei blieb es in der ganzen langen Probenzeit von der ersten bis zur letzten Stunde.

Mitteldeutscher Verlag, 1986

Inge von Wangenheim: Die Entgleisung

Buchinfo

Thüringen Ende der 70er Jahre, in einem verschlafenen Nest entgleist ein Güterwagon. Der Inhalt, der bald darauf im Ort 'versickert', besteht aus Porno-Magazinen für den Westen. Klar, dass die DDR-Staatsmacht die ebenso moralgefährdenden wie devisenbringenden Hefte wieder zurückhaben will. Doch das ist nicht so einfach … Inge von Wangenheims 1980 erschienene Satire hat jetzt bestimmt schon Kultstatus.


Buchbeginn

In der Mitte des breiten Urstromtals zwischen Saalfeld und Jena liegt Groß-Naschhausen.
Eine Perle thüringischer Siedlungs-Kleinkunst, eingefaßt in sanfte Bergketten, wechselvoll gestaltete Talsichten, freundliche Hänge, deren terrassenförmige Anordnung auf der Südseite noch heute den einstigen Weinanbau verrät. Wer hierher kommt, sei es durch Zufall oder mit Plan, erlebt jene feine, durchkultivierte Natur, die uns Goethe bewußtgemacht hat. Es lohnt also, hierher zu kommen.

Mitteldeutscher Verlag, 1980

 

Inge von Wangenheim: Hamburgische Elegie

Leseprobe

Was immer ein Mensch in seinem späteren Leben begründet oder bekämpft, gewinnt oder verliert, besitzt oder verwirft - es geschieht im Hinblick auf das Bezugssystem, das er in der Kindheit und Jugend annahm, um von ihm geprägt zu werden.

Die Forschung hat nie versäumt, die ausgezeichnete Bildung zu preisen, die sich der junge Lessing auf St. Afra erworben habe, vernachlässigte dabei aber die erst von Paul Rilla vollzogene notwendige Einschränkung, die sich mir aus eigener Erfahrung geradezu aufdrängt in der simplen Frage: Wie denn? Tausende Auserwählte sind durch St. Afra durchgegangen, aber nur ein einziger Lessing ist dabei herausgekommen.

Mitteldeutscher Verlag, 1981


 

Inge von Wangenheim: Schauplätze

Buchinfo

Schauplätze ihres Lebens sind für Inge von Wangenheim jene Orte und Länder, die ihr mehr gaben als wertvolle Anregungen, die „nachhaltig prägende Wirkungen“ auslösten: Berlin, die Sowjetunion, Rudolstadt, Indien, Ahrenshoop und Weimar. In einem Buch, das uns die malende Schriftstellerin vorstellt, wird durch ausdrucksstarke Bilder, durch Erinnerungen und Reflexionen über geschichtliche, kulturpolitische oder literarische Probleme eine unverwechselbare Welt lebendig, „vielleicht auch ein Stück Zeitgeschichte, das uns anschaulich macht, welche Dimension der Schritt des Menschen in die Menschheit für den einzelnen ist“. Im Schaffen der Autorin ist dieses Buch ein origineller Beitrag, der Inge von Wangenheims Werk bereichert.


Greifenverlag

2. Auflage 1986

 

Inge von Wangenheim: Die hypnotisierte Kellnerin

Buchinfo

Hier wird nicht nur hypnotisiert; hier werden Hasen mit der Hand gefangen, Porzellan-Elefanten zerschlagen, Stammtischstreiche ausgeheckt, hier wird das Gerücht verbreitet, die Kirche brenne, um den Herrn Pfarrer wenigstens einmal vom Essen wegzukriegen, hier wird ... aber eine Aufzählung all der Rudolstädter „Raupen“ und „Schnärzchen“, die uns dies Buch serviert, bliebe ohnehin unvollständig. Wir verdanken die Sammlung und ihre bezaubernde Frische der Begegnung Inge von Wangenheims mit einer ursprünglichen, unbewußten Erzählkunst an den Ufern der Saale. Die meisten der hier vereinten Geschichten werden erstmalig in Buchform veröffentlicht für Leser, die Freude an urwüchsigem Humor und deftigem Volkswitz haben.


Buchbeginn

Zwischen Rennsteig und Kyffhäuser liegt jenes freundliche, bunte Land, in dem sich Folgen des deutschen Erbübels - unserer Zerrissenheit - am anschaulichsten verewigt haben. Hier warf die Geschichte ihre Steuereintreiber in Purpur und Hermelin gleich dutzendweis auf das Residenzpflaster der Haupt- und Nebenlinien, der älteren und jüngeren Zweige, und so gewiß der Platz zwischen Coburg und Sondershausen, zwischen Meiningen und Gotha, zwischen Rudolstadt und Weimar, zwischen Schleiz und Greiz und Arnstadt und Schmalkalden nicht eben groß ist, so unzweifelhaft ist er einer der schönsten in Deutschland. 

Greifenverlag zu Rudolstadt 1968

5. Auflage 1978

Mit 22 Illustrationen von Helmut Fiege

 

Dienstag, 26. August 2025

Marian Engel: Bär

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Seit fünf Jahren arbeitet Lou in einem Archiv, vergraben wie ein Maulwurf zwischen vergilbten Papieren und staubigen Akten. Als sie den Auftrag erhält, in einem verlassenen Haus auf einer Flussinsel den Nachlass eines Colonels aus dem 19. Jahrhundert zu katalogisieren, stürzt sie sich voller Begeisterung in die neue Aufgabe. 

Dass dazu auch das Füttern eines Bären gehört, damit hat sie allerdings nicht gerechnet. Aber der erste Schreck weicht bald einer unerklärlichen Faszination und Zuneigung zu dem halb zahmen Bären, bis der Bär und die Bärenlegenden, die die Familie des Colonels gesammelt hatte, ihre Fantasie vollkommen beherrschen. Einen Sommer lang erforscht Lou die Grenzen ihrer Lust und ihrer eigenen Leidenschaften.


Buchbeginn

Im Winter lebt sie wie ein Maulwurf, tief vergraben in ihren Papieren und wählte zwischen Karten und Manuskripten. Sie wohnte nicht weit von ihrem Büro und erledigte ihre Einkäufe auf dem Weg zum Institut, eilte hastig, ohne Zeit zu verlieren, durch den Schlauch des Winters von Zufluchtsort zu Zufluchtsort. Sie mochte die kalte Luft auf ihrer Haut nicht.

Ihr Zimmer im Keller des Instituts lag dicht bei den Heizungsrohren und war schützend gesäumt von Büchern, hölzernen Aktenschränken und uralten, vergilbten, gerahmten Fotografien von Menschen und Orten, die man dort nicht erwartet hätte. General Booth und die Heimatstadt von irgendjemandes Großmutter, Frankreich aus der Luft im Jahr 1915, Gruppenbilder von Sportlern und Frontsoldaten; Dinge, die Leute ihr brachten, weil sie nichts zurückwies, weil es ihr Beruf war, alles aufzubewahren. 

Sonntag, 24. August 2025

Inge von Wangenheim: Professor Hudebraach

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Inge von Wangenheim hat in allen ihren Romanen die großen, menschenverändernden Probleme unserer Zeit zum Gegenstand ihrer literarischen Anliegen gemacht. Diese Bücher wurden viel diskutiert und erregten das Interesse breitester Leseschichten. In diesem Roman gestaltet sie die Liebe zwischen der Dozentin für Politökonomie Toni Berger und dem Kernphysiker Hudebraach, der nach zehnjähriger Tätigkeit in der Sowjetunion in die DDR zurückkehrt.

Beide Menschen stehen im Herbst ihres Lebens, begegnen einander wider Willen im Thüringer Wald und erkennen in schönen Oktobertagen von völlig verschiedenen sozialen und ideologischen Aspekten her die wahre Größe ihrer gemeinsamen moralischen und gesellschaftlichen Verantwortung vor ihrem Vaterland. Ihre reife und ernste Liebe lehrt sie tiefer und nachdrücklicher, als die Theorie es vermag, zueinander zu finden und den unlöslichen Zusammenhang ihres Wirkens in der Gesellschaft zu erkennen.


Buchbeginn

"Der Wissenschaft haben Sie gehorcht, liebe Frau Berger - jetzt gehorchen Sie der Natur!" Der Professor lächelte zwar, aber sein Blick war besorgt. "Sie haben nur eine Aufgabe: gesund zu werden. Jegliche Arbeit, Anspannung und Unruhe sind verboten. Sie brauchen Entspannung, Ruhe, Schlaf und Sauerstoff. Gehen Sie für zwei, drei Monate in unseren thüringischen Wald! Der ist jetzt ein besserer Arzt für Sie als ich."
Toni wollte ihren Dank an die Wissenschaft des Professors in Worte fassen und war doch betroffen. Zwei, drei Monate in einem Wald bedeuteten, so schien es ihr, eine unerlaubt lange Pause. War sie wirklich so krank? Was würden die Genossen sagen?

Mitteldeutscher Verlag, 1961

 

Inge von Wangenheim: Mein Haus Vaterland

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Die Wiederbegegnung von Inge von Wangenheims Darstellung ihrer Kindheit und Jugend in "Mein Haus Vaterland" erweist auch ein Vierteljahrhundert nach dem ersten Erscheinen die künstlerische Ausstrahlungskraft dieses Werkes. Nichts ist verblaßt, unaktuell geworden, von nur historisch-dokumentarischem Wert. Am Beginn der schriftstellerischen Laufbahn der Autorin stehend, deren Liebe vorher den darstellenden Künsten gehörte, atmet dieses Erinnerungsbuch Frische, Originalität, atmosphärischen Zauber: Ein duftes Berliner Mädel findet den Weg zum Schauspielerberuf und zugleich zur Verantwortung vor der Zukunft. Wie sie dabei gegen die widrigen Zeitläufe ankämpft und an menschlicher Reife gewinnt - dem gilt noch heute das ungeteilte Interesse des Lesers.


Buchbeginn

Das vollkommen durchschnittliche und darum wenig Aufmerksamkeit erregende Berliner Kind, von dem hier die Rede sein soll, stand am eintausendundfünfundneunzigsten Tag seines Lebens auf dem düster vornehmen Treppenflur eines Hauses am Nikolsburger Platz.

Es war der 1. Juli des Jahres 1915, der für dieses in einem weißen Stickereikleidchen verpuppte, bläßliche Mädchen die zauberhafte Geburtstagsüberraschung bereithielt, daß Augen und Ohren die Welt nicht nur wahrnehmen, sondern auch festhalten können - festhalten für ein ganzes langes Menschenleben.

 

Inge von Wangenheim: Das Zimmer mit den offenen Augen

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Eine ehemalige Fürstenresidenz im Thüringischen, in der die Traditionen der Vergangenheit mitunter noch beängstigend lebendig sind, eine Kleinstadt in anmutiger Umgebung, ein Schloß, in dem einst Goethe oft zu Gast war, das Kunstfaserwerk mitten in dem lieblichen Tal, der Burggasthof der Rethas, die Professorenwohnung der Steffens - das sind die unterschiedlichen Schauplätze dieses Romans. Vor ihrem Hintergrund entwirft die Autorin ein vielfältiges Spiegelbild von zehn Jahren komplizierter menschlicher Entwicklung im östlichen deutschen Staat. Gudrun Retha erkennt, daß die letzte Heldentat ihres Bruders, des Ritterkreuzträgers, nichts war als selbstmörderische Flucht, die neuen Tod veranlaßte. Diese Erkenntnis verhilft ihr zur Klarheit und Entscheidung über ihre Position, sie belastet zugleich aber aufs neue ihre Beziehungen zu Dr. Steffen, dem leitenden Mitarbeiter im Kunstfaserwerk, dessen bürgerliche Ehe zerbricht. Erst in der Auseinandersetzung mit Oskar Becker, der im Werk zäh die Kunst des Regierens und Leitens erlernt, begreift er sein Maß notwendiger Verantwortung. Unbelastet von der Vergangenheit aber vermag die junge Generation, Christine Retha und das Umsiedlerkind Daniel Schlicht, ihre Probleme zu lösen.


Leseprobe

Die Männer seiner bereits aufgeriebenen Einheit, die den Rückzug der Division über den Fluß gedeckt hatten, befanden sich in diesem Augenblick der Auflösung nicht in einem natürlichen Zustand. Sie trachteten, über den Fluß zu kommen, gleich den anderen, denen es noch gelungen war, und hielten ihren Kommandeur, der Anstalten machte, auf dem Platz zu verharren, in einem sehr landläufigen Sinne für "übergeschnappt".

Mitteldeutscher Verlag Halle

 

Alice Ekert-Rotholz: Die letzte Kaiserin

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Zwei Welten prallten aufeinander, zwei Kulturen, Menschen, die sehr verschieden sind und sich doch auf geheimnisvolle Art zueinander hingezogen fühlen. Der englische Schriftsteller Timothy Hall, fasziniert von der letzten Kaiserin von China, erliegt dem fremden Zauber "jener einzigartigen Welt, wo man über andere Dinge lacht und weint." Durch seine chinesische Adoptivtochter Lilian wird dieser einmalige Zauber für Tim greifbar. Er, der kühle Engländer, der immer versucht hat, Unterschiede zu ignorieren, muß nun mitspielen in jenem Spiel, das in China oft mit Skandal und Giftmord endet.


Buchbeginn

In der Abendstunde, wenn die Geräusche des Tages verstummen, und der Abend sich auf Filzsohlen heranschlich, flogen große Vögel um das Waisenhaus in Kowloon.
Ich war die Waise Jinghua aus der Familie Cheng am Perlenfluß. Dort leben heute noch meine Tante und ihr Sohn, aber sie haben mich wohl abgeschrieben, was eigentlich ganz unchinesisch ist. Sie werden sicher ihren Grund dafür haben. 

Alice Ekert-Rotholz: Indiras Fenster

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Geschichten von Menschen, die in London leben, die hier geboren sind oder die das Schicksal in die Metropole verschlagen hat. Alle haben ihre eigenen Erfahrungen, und Alice Ekert-Rotholz läßt sie erzählen. Da ist zum Beispiel der junge Hamburger, der in ganz London "seine Deern" sucht. Und da ist Indira, die Inderin. Sie haßt diese kalte, graue, gleichgültige Stadt; sie haßt es, angestarrt zu werden. Viele Stunden ihres leeren Tages verbringt sie an ihrem Fenster. Das Leben spielt sich vor ihren Augen ab, ein Leben, das ihr fremd ist. Doch dann trifft sie Menschen, die auf sie zugehen, und wie durch ein Wunder wandeln sich auch Indiras Gefühle für London. Da ist jene noch gar nicht alte Witwe, die von ihren Kindern in ein Altersheim abgeschoben wird und fast ihren Lebensmut verliert. Doch ihr Witz und der feste Wille, nicht aufzugeben, lassen sie auch über die kuriosesten Widrigkeiten triumphieren. Alice Ekert-Rotholz hat ihr Weltstadt-Porträt mit jenem englischen Humor gewürzt, der selbst in tragischen Situationen ein Lächeln ermöglicht.


Buchbeginn

Glücklicherweise bin ich nichts Besonderes. Nur Dora. - "Nur nicht auffallen", sagte meine Mutter. "Weder angenehm noch unangenehm." Meine Mum wußte, was sie sagte. Papa fiel überall angenehm auf. Sogar Mum konnte es ihm nicht abgewöhnen, obwohl nur sie spielend mit ihm fertig wurde. Er war Theaterkritiker im Nebenberuf. Eigentlich aber war er Historiker. Ekelhaft begabt, und er sah immer wie ein Schauspieler aus. Wo immer er erschien, liefen die Frauen ihm nach. Mum, Mrs. Grimsby und ich konnten es nicht verstehen.  

Alice Ekert-Rotholz: Furcht und Mitleid

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Für einen entspannten Urlaub kehrt der Engländer Francis Norton auf die Karibikinsel "Comfort Island" zurück, wo er einst als Richter tätig war. Doch statt dort Ruhe zu finden, gerät der seriöse Jurist in einen Strudel der Ereignisse, die ihn völlig verändern. In einem rauschenden karibischen Karneval findet die dramatische Geschichte ihren Höhepunkt.


Leseprobe

Walker las, was er beinahe auswendig wußte. Kein Zweifel, er hatte seinen scharfen, logischen Verstand, seine Korrektheit im Beruf und sein Mißtrauen gegen Unbekannte vom alten Mr. Walker geerbt. Aber sein Temperament, seine Empfindungen, sein warmes Mitgefühl mit allen Mühseligen und Beladenen stammte von Chinyelu Obade. Sein weißer Großvater hatte gesagt: "Ich habe einen hohen Zaun um mein Grundstück errichtet, damit ich in Frieden mit meinen Nachbarn leben kann."
Walkers schwarzer Großvater hatte gesagt: "Gott gab mir zwei Arme, damit ich meinen Nachbarn ans Herz drücken kann." 

Alice Ekert-Rotholz: Nur eine Tasse Tee

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Was an drei Tagen im Völkergemisch von London bei einem Streik der Elektrizitätswerke, einer ostindischen Seelenbeschwörung, einer aufregenden Romanze, puritanischer Strenge und karibischer Sinnenlust, was bei vielen, vielen Tassen Tee alles passieren kann, erzählt Alice Ekert-Rotholz in Geschichten voller Charme und Atmosphäre.


Buchbeginn

Eine Stadt wie London

Heute muß ich mit ihm reden. So geht es nicht weiter, dachte Mrs. Baker, während die Kinderärztin die kleine Marigold untersuchte. Mrs. Baker tat, als ob alles in Ordnung wäre. Was verbarg er wohl jetzt wieder vor ihr? Mrs. Baker war an die Verschlossenheit ihres Mannes gewöhnt, sie wußte länger, er ging gern seine eigenen Wege. Das war in einer Stadt wie London einfach! Ein Labyrinth, wenn man sich aus der eigenen Vorstadt entfernte. Sobald die Geschäftsleute morgens das Haus verließen, um erst kurz nach fünf Uhr daheim zum Tee aufzutauchen, entzogen sie sich den ehelichen Blicken und brauchten nicht einmal etwas zu erklären. 

 

Alice Ekert-Rotholz: Flucht aus den Bambusgärten

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Die Schauplätze dieses Romans sind Vietnam, Kambodscha, Thailand, Laos und Europa.

Erzählt wird das bewegende Schicksal von drei Fremdenlegionären, die der Hölle von Dien Bien Phu entkommen, aber fortan als Fremde in ihrer Heimat leben. Sie kommen nicht los von der Legion und den Geheimnissen des fernen Kontinents.


Buchbeginn

Es gibt so viele Geschichten wie es Fremdenlegionäre gibt. Und jede Geschichte hat ihre drei Seiten: Wie der Legionär sie erzählt, wie Freunde und Feinde sie erzählen - und schließlich die wahre Geschichte. Übrigens pendelt die Wahrheit, wie der Legionär, unbehaglich im leeren Raum; aber sie ist unsichtbar, ironisch und, wie gesagt, wahr. So ist es zum Beispiel wahr, daß durchaus nicht jeder Fremdenlegionär ein Verbrecher ist, der sich vor den Behörden seines Landes in die Legion flüchtet, weil dort niemand nach seinem Vorleben fragt. Und natürlich gibt es so viele Gründe wie Legionäre.

 

Alice Ekert-Rotholz: Großer Wind, Kleiner Wind

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Die welterfahrene und weltberühmte Alice Ekert-Rotholz erzählt in diesen zwei Kabinettstücken vom Zauber der Karibik und den Konflikten einer bunt zusammengewürfelten Gesellschaft. Eine englische Lady wird durch die Beharrlichkeit ihrer kreolischen Schwiegertochter von den aus Europa mitgebrachten Vorurteilen befreit. Eine Marktfrau erfährt, daß ihr heißgeliebter und in London studierender Sohn auf die schiefe Bahn geraten ist.


Buchbeginn

Muriel Watford war immer eine Geheimniskrämerin gewesen. Sie wollte nichts gefragt werden und stellte keine Fragen. Ihre Freunde behaupteten, sie stamme aus der schweigsamsten Familie im ländlichen Suffolk, wo es viele große Schweiger gibt. Die Crowleys lebten zufrieden und schweigsam auf ihrem Bauernhof und betrachteten wohlgefällig die hohen Hecken, die ihren Besitz vom Rest der Bevölkerung abtrennten. Muriels Reisen hatten sich auf Fahrten ins Marktstädtchen beschränkt. Ein gelegentlicher Besuch in Ipswich war ein Ereignis.

 

Alice Ekert-Rotholz: Gastspiel am Rialto

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Venedig, die immer wieder totgesagte und doch unsterbliche, malerische Lagunenstadt, ist der Schauplatz dieses Romans der berühmten Erzählerin Alice Ekert-Rotholz. Hier am Rialto begegnen sich die Menschen aus verschiedenen und einander fremden Welten. Eine Londoner Ärztin verfällt dem Zauber des Antonio Cesano aus alter venezianischer Familie. Einer kühlen Hamburger Fotografin wird ein egozentrischer japanischer Schauspieler zum Verhängnis. Ein vibrierender Roman voller Irrungen und Wirrungen, tragisch und komisch zugleich wie eine Commedia dell'arte.


Buchbeginn

Hilary Stafford:

Falls es Leute gibt, die nie ihre Entschlüsse bereuen und schlafenden Kummer nicht aufwecken, gehöre ich nicht zu ihnen.
Ich habe in meinem Leben viele Entschlüsse bereut, aber keinen so tief wie meine Liebesheirat in Venedig. Inzwischen lebe ich längst wieder in London, und die ganze Sache ist zu Staub und Asche geworden. Aber in unruhigen Nächten wecke ich den schlafenden Kummer auf. Tagsüber verbanne ich ihn. Was sollten meine Patienten sonst denken?

 

Alice Ekert-Rotholz: Die fließende Welt oder Aus dem Leben einer Geisha

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Wenn auch das Japan der "Madame Butterfly" der Vergangenheit angehört, das undurchdringliche Wesen der Geishas fasziniert und irritiert uns noch immer. Die erfahrene Beobachterin des traditionellen und des modernen Japan erzählt in diesem Buch von der anmutigen Etsuko und ihrer großen Liebe. Etsuko hat viele Männer bezaubert. Als jedoch der einzige, den sie wirklich liebt, sie verläßt, zerbricht ihre Hoffnung, in eine andere Welt überzuwechseln.


Buchbeginn

Mein Freund Sakutaro

Jetzt, da alles zu Ende ist und der einzige Mann, den ich liebte, mich verlassen hat, muß ich wieder als Geisha arbeiten. Außerdem muß ich versuchen, wie die Einsiedler in den Bergen die Frucht des Friedens zu pflücken, wo ich sie finde. Oh, warum liebte ich einen Mann, der nicht zum häuslichen Teetrinken taugte?

 

Donnerstag, 21. August 2025

Alice Ekert-Rotholz: Füchse in Kamakura

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In den ebenso anmutigen wie pointenreichen Geschichten dieses Bandes wird uns japanisches Leben vertraut, wird mit wenigen sicheren Pinselstrichen ein Japan zwischen Konsum und Kimono, zwischen fügsamen Geishas und emanzipierten Studentinnen, zwischen nachsichtigem Lächeln und erschreckender Wildheit gezeigt. Wie in allen ihren millionenfach verbreiteten Romanen und Erzählungen versteht Alice Ekert-Rotholz es auch hier, den noch immer exotischen Zauber des Fernen Ostens auf meisterhafte Weise einzufangen


Leseprobe

Abends, während die anderen die Nachtlokale auf Waikiki besuchten, ging Reiko allein am dunkelnden Ufer spazieren. Das Dunkel war immer noch ihr Schutz und die Nacht ihre Freundin. Nur der Gedanke an die unbekannte Braut ihres ,Gönners' versetzte sie in Unruhe, und sie scheuchte ihn wie ein lästiges Insekt weg. Manchmal stieg weißlicher Nebel vom Ozean in ihre Kehle, und sie ging ins Haus zurück. Nie warf sie das Netz der Hoffnung in Mr. Kishidas Richtung. Hinter einer Palme verborgen, hatte sie ihn einmal tanzen sehen. Ein anderes Mal sah sie ihn am Ufer mit einem Mädchen; wieder schritt er mit der hageren einsamen Eleganz des Kranichs. Auch streckte er den Kopf wieder vor, denn es schien ihn zu interessieren, was dieses halbnackte Mädchen ihm erzählte...

Alice Ekert-Rotholz: Fünf Uhr Nachmittag

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Fünf Uhr Nachmittag - das ist die Stunde zwischen Tag und Abend, da der Mensch allein ist mit den Problemen seiner Existenz und in der Gefahr schwebt, in jene Vereinsamung zu geraten, welche uns heute immer stärker bedroht. Deutschland und Venezuela, tropische Hafenstädte mit herrlichen Villen, Luxushotels und Elendshütten, die Redaktion der Berliner Illustrierten KOMET - das sind die Schauplätze des neuen großen Romans von Alice Ekert-Rotholz, der wieder in den Bereich der karibischen Welt führt und den Leser mit einer Fülle faszinierender Gestalten bekannt macht - Menschen unter dem Zeichen eines gemeinsamen Schicksals, das sie miteinander verkettet und gegen das sie sich auflehnen. 

Das gilt für Carlos Sanchez, den einflußreichen Wirtschaftsführer, der ein düsteres Geheimnis aus den Jahren des "Dritten Reiches" zu hüten hat, wie für Carla Moll, eine junge Berliner Journalistin, die diesem Geheimnis nachspürt - und dabei ihrem einstigen Liebhaber Sanchez wiederbegegnet. Es gilt für Elliot Cooper aus Chicago, den seiner Frau Naomi entfremdeten "Zugvogel der Industrie", wie für den deutschen Ingenieur Ulrich Bendix, dem die Tochter einer Mulattin, attraktiv, aber mit dunkler Vergangenheit, deutlich macht, daß Venezuela kein Land für treuherzige Idyllen ist. Es gilt für den Guerilla-Kämpfer Camilo de Padilla, der "Yanqui Cooper" mit tödlichem Haß verfolgt; es gilt für Oskar Ribbeck, den erfolgreichen Chefredakteur des KOMET, einen Mann vielseitiger geistiger und organisatorischer Gaben, der Carla Moll das Bewußtsein ihres eigentlichen Talents vermittelt und als zweiter Mann entscheidend in ihr Schicksal eingreift; und es gilt vor allem für den Mann im Hintergrund, dessen Schatten auf Carla Molls und Carlos Sanchez' Leben fällt: für Bonhoff, den Fremden am Orinoco-Fluß.

Liebe und innere Konflikte, Intrigen und die Schatten des Gestern, Erfolg, der nur Deckmantel des Scheiterns ist, Versagen als Chiffre einer Wiedergewinnung des Selbstbewußtseins - das sind die Pole und Spannungspunkte, zwischen denen die Menschen dieses Romans leben und handeln. Die Kette der Begebnisse hält den Leser in Atem, fasziniert ihn bis zur letzten Seite. Ein Panorama der Leidenschaften und zugleich eine "Menschliche Komödie" unserer Zeit.


Buchbeginn

Pilar Alvarez war gerade aus dem Büro nach Haus gekommen, als das Telefon Sturm läutete. Sie runzelte die Stirn. Sie hatte den ganzen Tag in der Firma Alvarez & Sanchez, Caracas, Sekretäre und Computer eingeschüchtert, Ingenieure für die industriellen Planungen im Orinoco-Gebiet "verhört" und wollte sich nun in ihrer düsteren Art einen gemütlichen Abend machen. Einen Augenblick saß Pilar regungslos da und ließ das Telefon lärmen. Das konnte nur ihre Stiefschwester Teresa in Mérida sein. Teresa war unmöglich. Sie rief nur an, wenn sie etwas wollte, und sie wollte immer etwas ... Ihre Stimme wurde dann sanft und einschmeichelnd, aber Pilar fand sie klebrig wie Sirup auf steinhartem Brot. Pilar nahm den Hörer und fragte mürrisch, was Teresa wieder wolle. Aber es war nicht Teresa, sondern Juana Alvarez aus Mérida, rund fünfhundert Kilometer von Caracas entfernt: "Bist du am Apparat, Pilar?"

Alice Ekert-Rotholz: Der Juwelenbaum: Karibisches Panorama

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In der romantisch-erregenden Welt der Sonneninseln in der Karibischen See, die nach der Legende einst vom großen Juwelenbaum ins Meer fielen, spielen diese fesselnden Geschichten der deutschen Erfolgsautorin Alice Ekert-Rotholz. Unstillbare Leidenschaften und die Sehnsucht nach sozialer Anerkennung sind ihr bewegendes Thema.


Buchbeginn

War Basset der richtige Mann für Venezuela?

Der Generaldirektor einer großen Ölgesellschaft sah sich in seinem New Yorker Büro um, als ob die Stahlmöbel die Antwort wüßten. Sein Kollege aus Caracas wartete geduldig. Mr. Street lebte seit so vielen Jahren in Südamerika, daß er, ohne zu rebellieren, auf alles wartete - auf den neuen Fachmann, auf das Ende der Regenzeit, auf seine Frau.

 

Alice Ekert-Rotholz: Elfenbein aus Peking

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Von ungewöhnlichen und faszinierenden Schicksalen zwischen Peking und Bangkok, Westindien und Südamerika erzählt Alice M. Ekert-Rotholz, Autorin vieler erfolgreicher Romane, in den sechs kriminalistisch-exotischen Geschichten dieses Bandes. Doppelbödig wie die kostbare alte Elfenbeindose ist die Beziehung der verschlossenen chinesischen Ärztin Dr. Wong zu ihrem englischen Kollegen, der der Faszination des Fernen Ostens ebenso erlegen ist wie der Hamburger Kaufmann in Bangkok, der die Heimreise allzu lange aufgeschoben hat. Burma wird zur letzten und entscheidenden Station für den jungen britischen Leutnant, auf dem eine schwere Schuld lastet. In Trinidad erlebt ein Londoner Dozent ein sonderbar zwiespältiges und bedrückendes Wiedersehen mit seiner chinesischen Geliebten, die ihn einst die zärtliche "Rede der Nacht" lehrte. Spitzzüngig und melancholisch erzählt die Besitzerin eines eleganten chinesischen Restaurants, in deren Adern das Blut chinesischer, schwarzer und spanischer Vorfahren fließt, von ihrer Begegnung mit einem Amerikaner in der tropischen Schwüle Maracaibos. – Ein schillerndes Panorama fremder und exotischer Welten, in denen gegensätzliche Menschen und Kulturen aufeinanderprallen.


Buchbeginn

Dr. Robertson ist ein reizender Mensch, aber er weiß alles besser. Das ist ziemlich ärgerlich, wenn es sich um Elfenbein handelt, denn davon verstehe auch ich zufällig eine Kleinigkeit. - In den vielen Jahren, in denen ich vor dem Zweiten Weltkrieg in den Altwarenläden zwischen Peking und Shanghai herumstöberte, hätte ich mir einen Ehemann angeln oder doppelte Buchführung lernen sollen. Jetzt ist es für beides zu spät. Auch zum Herumschlendern ist es heute zu spät. Dr. Robertson und ich waren erstklassige Kunsthyänen und machten durch Zufall bemerkenswerte Entdeckungen. Heute überläßt Peking nichts und niemanden dem Zufall.

Inge von Wangenheim

Von Sabine Neuhauß

Ingeborg Franke wurde am 1. Juli 1912 in Berlin geboren. Ihre Mutter war die Konfektionsarbeiterin und Schneiderin Hermine Franke. Der Vater René Wendt hatte die Mutter schon während der Schwangerschaft verlassen. Inge besuchte das Chamisso Lyzeum, erhielt Geigenunterricht und begann 1928 ein Pädagogikstudium, das sie jedoch abbrach.  

Sie folgte ihrem künstlerischen Talent und ihrer Leidenschaft für das Theater und absolvierte eine Schauspielausbildung. Daran anschließend spielte sie kleinere Rollen an verschiedenen Berliner Bühnen, u. a. am Theater am Schiffbauerdamm und in Inszenierungen Erwin Piscators. 1931 heiratete sie Gustav von Wangenheim und wurde Mitglied der von ihm geleiteten Theatergruppe „Truppe 1931“, die aus der kommunistischen Zelle in der Künstlerkolonie Berlin, einer sozialen Wohnsiedlung für Künstler in Berlin Wilmersdorf, entstand. Im selben Jahr trat sie in die KPD ein.  

Die „Truppe 1931“ tourte mit großem Erfolg durch Deutschland und die Schweiz. Am 4. Februar 1933 war ihre letzte Premiere in Berlin. Nach der Großrazzia in der Künstlerkolonie Berlin am 15. März 1933 löste sich die Gruppe auf und Inge und Gustav von Wangenheim emigrierten über Belgien und Frankreich in die Sowjetunion. Sie lebten zunächst in Moskau. Dort war Inge als Schauspielerin und Journalistin tätig. So war sie Mitglied der deutschsprachigen Theatergruppe „Deutsches Theater Kolonne Links“ und spielte neben Bruno Schmidtsdorf die Hauptrolle des 1935/36 in Moskau gedrehten antifaschistischen Films „Kämpfer“ unter der Regie ihres Mannes. Der Film handelt vom Widerstand der Arbeiter gegen den Faschismus, angeregt durch die Verhaftung des Kommunistenführers Georgi Dimitroff. Auch Ernst Busch wirkte in dem Film mit und nahm dafür das „Moorsoldatenlied“ auf. 

Der Film wurde kurz nach der Fertigstellung von Stalin verboten, etliche Mitwirkende wurden verhaftet und erschossen. Die Zeit in der Sowjetunion war für die Wangenheims eben nicht nur von künstlerischem Schaffen geprägt, sondern auch von den politischen Säuberungen Stalins. Gustav von Wangenheim soll 1936 Carola Neher und ihren Mann Anatol Becker als Trotzkisten denunziert haben. Beide wurden am 25. Juli des Jahres verhaftet. Anatol Becker wurde 1937 als „Trotzkist“ hingerichtet, Carola Neher zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Nach fünf Jahren Haft starb sie im Lager Sol-Ilezk bei Orenburg an Typhus. 

Inge von Wangenheim bekam zwei Kinder in dieser Zeit, ein Sohn verstarb sehr früh, der weitere Sohn Friedel von Wangenheim wurde 1939 geboren. Er trat später als Chanson- und Bühnenautor, Schauspieler und Dramaturg in Erscheinung. 

Nachdem Gustav von Wangenheim von den Nationalsozialisten in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden war, nahm er 1940 schließlich die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Bei Kriegsausbruch begann er für die 7. Politische Abteilung der Roten Armee zu arbeiten. Im Jahr 1941 wurde die Familie nach Kasan und später ins usbekische Taschkent evakuiert. Ab 1943 hielten sie sich wieder in Moskau auf, wo Inge als Redakteurin für das Nationalkomitee Freies Deutschland arbeitete. 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kehrte Inge von Wangenheim im November 1945 gemeinsam mit ihrem Mann nach Berlin zurück.  Sie arbeitete hier als Schauspielerin, Journalistin und Regisseurin sowie 1947 kurze Zeit als Herausgeberin der Verbandszeitschrift „Die Volksbühne“. 1946 war sie Mitbegründerin der „Gewerkschaft Kunst“ und 1947 des „Bundes Deutscher Volksbühnen“. Im Jahr 1946 trat sie in die SED ein. Außerdem wurde sie Mutter der Zwillinge Eleonora und Elisabeth. 

Inge von Wangenheim engagierte sich im Kulturbereich der SED, sie arbeitete unter anderem am Deutschen Theater in Ost-Berlin und für die DEFA, zum Beispiel im Film „Und wieder 48“ über die Revolution 1848. Seit Ende der 1940er Jahre war sie aber vorwiegend schriftstellerisch tätig. 

In den 1950er- und 1960er-Jahren schrieb sie zahlreiche autobiografisch gefärbte Romane und Theaterstücke, in denen sie ihre Erfahrungen aus dem Exil und dem antifaschistischen Kampf verarbeitete. Im autobiografischen Buch "Mein Haus Vaterland" (Berlin 1950) beschreibt sie ihre frühen Lebensjahre bis 1933; die Exiljahre mit einer Darstellung der Moskauer Schauprozesse sind Gegenstand des Buchs "Auf weitem Feld" (Berlin 1954); "Am Morgen ist der Tag ein Kind" (Berlin 1957) thematisiert die Ereignisse des 17. Juni 1953. 

Anfang der 1960er Jahre wurde die Ehe der von Wangenheims geschieden. Den Kontakt zur Familie stellte Inge weitgehend ein, sie zog nach Rudolstadt und 1974 nach Weimar und lebte in einer Beziehung mit der Sekretärin ihres geschiedenen Ehemannes.  

Seit 1970 war Inge von Wangenheim im Vorstand des Schriftstellerverbandes. Sie durfte ins Ausland reisen, seit 1966 mehrfach in die Bundesrepublik, außerdem war sie u. a. in Indien und Paris.  

In Thüringen wandte sie sich schriftstellerisch verstärkt regionalen Themen zu, die sie humoristisch verarbeitete, so in dem Geschichtenband „Die hypnotisierte Kellnerin“ (1968). Daneben behandelte sie Stoffe mit Blick auf die deutsche Zweistaatlichkeit, etwa in „Die Probe“ (1973) und in „Spaal“ (1979). Wohl am erfolgreichsten wurde ihr Werk „Die Entgleisung“ (1980), eine turbulente Gesellschaftssatire: Auf der Interzonenstrecke entgleist beim verschlafenen thüringischen Dorf Groß-Naschhausen, unbemerkt vom Zugpersonal, ein Güterwaggon. Der Inhalt ist heiß. Ein Valutadruckauftrag für Schweden. "Pornographische" Magazine paketeweise. Die Hefte müssen zurück, die Menschen davor geschützt werden. Das „Neue Deutschland“ wies 2012 darauf hin, dass man sich heute vielleicht frage, wie eine solche Satire in der DDR überhaupt erscheinen konnte. Aber sie sei erschienen. Das DDR-Verlagswesen sei in vielem durchlässiger gewesen, als man es sich heute vorstellen möge oder könne.  

1982 verließ eine der Töchter der Wangenheims die DDR und ging in die Bundesrepublik. Die durch die Wende 1989/1990 erlangte Freizügigkeit begrüßte Inge; den ihr 1987 verliehenen Karl-Marx-Orden gab sie zurück und stellte die mit ihm verbundene Geldprämie in Höhe von 20.000 Mark der Weimarer „Volkssolidarität“ zur Verfügung. 

Sie starb am 6. April 1993 in Weimar. 

Sie erhielt diverse Auszeichnungen: 

1945; sowjetische Medaille „Für hervorragende Verdienste während des Großen 

Vaterländischen Krieges“ 

1958: Medaille „Kämpfer gegen den Faschismus 1933–1945 

1959: Clara-Zetkin-Medaille 

1959: VVO in Bronze, Silber (1972) u. Gold (1982) 

1963: Ehrennadel des DFD in Gold 

1966: Kunstpreis des FDGB 

1968: Heinrich-Heine-Preis des Ministeriums für Kultur der DDR 

1972: Vaterländischen Verdienstorden in Silber 

1977: Nationalpreis 2. Klasse 

1982: Vaterländischen Verdienstorden in Gold 

1987: Karl-Marx-Orden 

1989: Ehrendoktortitel der Universität Jena 

Zu Ehren der Schriftstellerin Inge von Wangenheim wurde am 9. Dezember 2010 in Rudolstadt ein Literaturinstitut mit ihrem Namen gegründet. Es soll regelmäßig einen Preis für besondere literarische Verdienste um Humanismus und Frieden sowie für das Lebenswerk von Autoren vergeben, von den Nazis verbotene Werke sammeln und wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen sowie Nachwuchsautoren ausbilden und deren Texte veröffentlichen.

Ihre Enkelin hat über die ihr im Grunde wenig bekannte Großmutter eine Lebensgeschichte verfasst, in der viele im Nachlass aufgefundene Fotos aus der Zeit in der Sowjetunion einen Platz gefunden haben: Laura von Wangenheim: In den Fängen der Geschichte – Inge von Wangenheim. Fotografien aus dem sowjetischen Exil 1933 – 1945. Rotbuch, Berlin


Quellen: 

https://de.wikipedia.org/wiki/Inge_von_Wangenheim 

https://www.deutsche-biographie.de/sfz138956.html#ndbcontent 

https://www.thueringer-literaturrat.de/autorenlexikon/wangenheim-inge-von/ 

https://www.bundesstiftung-aufarbeitung.de/de/recherche/kataloge-datenbanken/biographische-datenbanken/ingeborg-von-wangenheim 

https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_von_Wangenheim 

https://www.welt.de/print/die_welt/literatur/article124871923/Sie-lebte-im-gelobten-Land.html 

https://www.nd-aktuell.de/artikel/231287.skandal-in-gross-naschhausen.html 

https://aviva-berlin.de/aviva/content_Literatur.php?id=1418698


Die Bücher